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Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Titel: Die Affen von Cannstatt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Die beiden mittlerweile Fünfjährigen, Deko und Mokili, toben die Stangen und Schläuche hinauf und hinunter. Zete steht am Stocherbecher, stößt einen Stock hinein und leckt ihn ab. Ihr Blick flitzt immer wieder zur Scheibe. Die junge Oicha guckt ihr zu und leckt, wenn sie den Stock herausholt, den Tropfen ab, der auf den Rand gefallen ist. Miabi schläft in der Feuerwehrschlauchhängematte. Sie ist schwanger. Der ranghöchste Mann Mafuka ist alt und kantig geworden. Der Waise Njema döst im anderen Raum vorn an der Scheibe und schaut, wenn Besucher ihm nahe kommen. Die meisten können es nicht lassen, sie klopfen gegen das Glas. Kivu kommt mit einem Büschel Stroh herein und legt sich zu ihm. Uvira ruht auf einer anderen Platte. Butumba befindet sich im größeren Raum bei Alma. Mit den Fingern stochert sie durchs Gitter zum Nachtgehegegang in den Löchern eines Holzklotzes nach Körnern. Beschäftigungsfutter nennt man das. Sie kann den Klotz nicht unterm Gitter durchziehen und schlägt ihn gegen das Metall. Almas Sohn Heri schmachtet eine hübsche junge Äffin an, die ich nicht kenne. Und eine fehlt: Mara.
    Außer mir ist niemand im Haus. Nebenan langweilen sich die langhaarigen Orang-Utans. Bei den Gorillas herrscht schläfrige Ruhe. Die Pfauenhenne tappt herein und sucht unter der Bank nach Krümeln.
    Ich will gerade wieder hinausgehen, da kommt Heidrun in dicker Winterjacke und stampft sich den Schnee von den Füßen. Sie trägt die beigegrünen Hosen der Landesangestellten. Unmittelbar hinter ihr – ich erschrecke – treten die beiden deplatzierten Herren ein.
    Manchmal fürchte ich, meine Mitmenschen könnten meine Gedanken lesen und sie mir vorwerfen. In Alpträumen verteidige ich mich mit dem Argument, ich hätte es doch nur gedacht, nicht gesagt. Die Gedanken sind frei. Ich hätte vorhin sicher nicht so geringschätzig über die beiden gedacht, wenn ich gewusst hätte, dass ich ihnen jetzt die Hand schütteln muss.
    Heidrun und ich umarmen uns. Dann dreht sie sich zu den beiden anderen um und präsentiert mich regelrecht. »Das ist Camilla Feh.«
    »Feh«, wiederholt der Elegante mit angenehm musikalischer Stimme und streckt mir die Hand hin, »gute alte Cannstatter Unternehmerfamilie. Kürschner Feh, Pelze und Lederwaren, Küblergasse, nicht wahr?«
    »Meine Eltern.« Ich unterschlage das Wort Pflege.
    taatsanwalt, richtig? … Dr. Weber.«
    Er deutet ein höfliches Lächeln an. »Keine Sorge, Frau Feh, nicht in amtlicher Funktion.«
    »Und das ist …«, fährt Heidrun fort.
    »Schwabenreporterin Lisa Nerz«, sagt der andere schnell. Nein, die andere. O Gott, wie peinlich. Allerdings vielleicht eher für sie. Sie legt es offensichtlich darauf an.
    »Lisa Nerz?«, rutscht es mir heraus, obwohl ich eigentlich meinen Mund sonst ganz gut halten kann. Die hat mir doch …
    »Ich habe dir übrigens eine Freundschaftsanfrage geschickt«, sagt sie.
    Es gefällt mir nicht, dass sie mich duzt. Ich überlege, ob ich so tun soll, als hätte ich die Freundschaftsanfrage nicht bemerkt. Ehe ich mir klar werde, umschließt ihre Hand meine mit kaltem, hartem Druck und mich durchfährt der nächste Schock: Das ist er! Das ist der Kerl, der mir Montagabend gefolgt ist. Den ich mit einer Ladung Pfefferspray in den Augen blind am Straßenrand zurückgelassen habe. Zwar habe ich sein Gesicht nicht genau gesehen, aber das hier könnte passen. Ein wüstes, trotziges Gesicht. Es verzieht sich auch nicht zu dem Lächeln, mit dem Frauen bei einer Begrüßung ein freundliches Klima schaffen wollen.
    Da war doch auch ein Dackel gewesen. Unwillkürlich suche ich den Boden ab. Was für ein Blödsinn. Hunde dürfen nicht mit in den Zoo.
    Weiß er … nein, weiß sie, dass ich weiß, dass er der Typ vom Montag ist? Aber muss ich es wissen? Womöglich irre ich mich. Und selbst wenn nicht, es gibt keinen Grund, ihn – nein, sie – um Entschuldigung zu bitten. Er hat es provoziert. Ich bin verwirrt. Ich hasse es, nicht überblicken zu könne, was mit mir geschieht.
    Sie mustert mich. Ihre Augen sind grau, der Blick unter unerwartet schönen langen Wimpern hervor ist abschätzend und direkt. Indiskret. Gleich sieht sie den Schatten meiner Mutter. »Du bist also die«, sagt sie mit einer hastigen Stimme, die mich stresst, »die einen Sommer lang die Bonobos beobachtet hat. Mich täte interessieren, ob man herausfinden kann, welcher der Affen der Haupttäter ist.«
    »Bonobos töten nicht.« Das habe ich nicht sagen wollen, denn es ist

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