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Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Titel: Die Affen von Cannstatt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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nicht mein Satz, sondern der von Professor Schmaleisen. Diese Hyäne provoziert mich zum Widerspruch. Auch das mag ich nicht.
    »Aber sie haben Deutschbein getötet«, antwortet sie. »Definitiv.«
    Unsere Blicke wenden sich dem verglasten Gehege zu, in dem sich Deko und Mokili eine rasante Jagd durch die Feuerwehrschlauchgirlanden liefern. Zete stochert weiter, obwohl sie Heidrun erkannt hat. Alma meditiert. Heri ist aufgestanden und kommt an die Scheibe. Er hat die Augen auf den Oberstaatsanwalt gerichtet. Heri findet Männer interessant. Er hat es schon fertiggebracht, sich eine Herrensweatjacke aus dem Haufen für Tierbeschäftigung richtig anzuziehen. Er ist der Einzige, bei dem ich jemals den Eindruck hatte, dass er mit Männern draußen Kontakt aufnimmt und dabei menschliche Gesten einsetzt: Heranwinken, Kopfschütteln, Nicken, Lächeln.
    »Ich glaube«, sagt Heidrun, »Camilla meint, sie haben den Mann nicht absichtlich getötet. Es war ein Unfall.«
    Die Hyäne mustert die ernsten schwarzen Affen. Sie scheint nicht beeindruckt. »Die sind doch ziemlich klein. Was wiegen die? Dreißig Kilo?«
    Heidrun nickt. »Aber unterschätzen sollte man sie nicht. Schauen Sie sich die Hände an. Sie sind doppelt so groß wie unsere. Und in diesen Muskeln steckt ordentlich Kraft. Schon eine könnte Ihnen gefährlich werden. Und sie waren zu neunt.«
    Herr Weber schaut nicht hin, er betrachtet mich. Ich sehe es im Augenwinkel und leiste ihm innerlich Abbitte. Vorhin habe ich ihn für einen schwulen Narren gehalten. Aber er hat ein durchaus waches männliches Interesse an mir.
    »Wie ist er eigentlich hineingekommen?«, frage ich. »Mit einem Schlüssel?«
    Heidrun nickt. »Es lag einer auf dem Boden.«
    »Außerhalb oder innerhalb?«, fragt die Hyäne schnell dazwischen.
    »Außerhalb des Nachtgeheges«, antwortet Heidrun. »Im Gang.
    »Könnte er aus dem Gehege rausgerutscht sein während des Kampfs?«
    »Könnte sein. Aber wozu hätte er den Schlüssel mit reinnehmen sollen? Die Vorhängeschlösser sind außen an den beiden Riegeln, einer oben, einer unten. Von innen kann man weder die Riegel noch die Schlösser verschließen.«
    »Und war das Gehege verschlossen?«
    »Der obere Riegel war zu und das Schloss eingerastet. Der untere nicht.«
    Das alte Affenhaus gehört zu den wenigen Gehegen in der Wilhelma, in denen es noch Riegel mit Vorhängeschlössern gibt.
    »Den Schlüssel braucht man also nur zum Öffnen«, vergewissert sich Nerz.
    »Ja«, antwortet Heidrun.

    »Wie muss ich mir das vorstellen«, hakt sie nach. »Kann man das Schloss von drinnen erreichen?«
    Heidrun hat es noch nicht ausprobiert. Von den Affen weiß sie, dass sie das Hängeschloss mit Müh und Not erreichen können. Oicha hat es schon ausgehängt. Seitdem drückt sie immer den Bügel ins Schloss, selbst wenn sie nur schnell einen Besen holen geht.
    »Hätte Deutschbein sich selbst aus dem Gehege befreien können«, fragt Nerz, »wenn das Schloss nur eingehängt, nicht aber zugedrückt gewesen wäre?«
    Heidrun schüttelt den Kopf. »Ich glaube nicht.«
    »Könnte ich mir das mal anschauen?«
    »Nein«, antwortet Heidrun. »Wir lassen keine Fremden hinter die Kulissen. Menschenaffen stecken sich leicht mit unseren Krankheiten an.«
    »Ich bin gesund«, behauptet die Hyäne. Sie schaut ihren Begleiter an. Offenbar ist der Oberstaatsanwalt dazu da, ihr mit amtlicher Autorität die Wege zu ebnen. Er tut so, als sähe er es nicht.
    »Sagen Sie, Frau Wetterle«, spricht er Heidrun an, »wie ist das? Der gefundene Schlüssel hat keinem der Pfleger gehört, nicht wahr?«
    »Das ist richtig«, antwortet sie. »Das habe ich alles schon der Polizei erzählt. Auch der Lehrlingsschlüssel war noch da.«
    Nerz fährt hoch. »Der Lehrlingsschlüssel? Wo ist der?«
    »Im Schrank im Aufenthaltsraum«, antwortet Heidrun.
    Ich erinnere mich plötzlich: das Kaffeetrinken mit dem Lehrling. Er hatte Kuchen mitbringen müssen, weil er den Lehrlingsschlüssel aus Versehen mit nach Hause genommen hatte, statt ihn abends in den Schrank zu legen.
    »Das heißt, wer dort einsteigt, kann sich den Lehrlingsschlüssel nehmen, um weiter vorzudringen?«, erkundigt sich Nerz. »Wer weiß das?« Sie schaut mich an.
    »Hat es nicht vor einigen Jahren einen Einbruch in die Wilhelma gegeben?«, bemerke ich.
    Heidrun nickt. »Aber das Affenhaus war nicht betroffen.« Sie erzählt von den Buben, die versucht hatten, die Löwen zu füttern, und von der Drahtscherenaktion der

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