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Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Titel: Die Affen von Cannstatt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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du mich noch mal reinlegen?, frage ich Lisa.
    Wieso? Wann hätte ich dich reingelegt?
    Ich lache auf. Warum sitze ich denn hier? U-Haft ist kein kleines Abenteuer zur Bereicherung des persönlichen Erfahrungsschatzes.
    Ja, sagt Weber überraschend vehement, man verliert seine bürgerliche Identität.
    Haben Sie denn etwa schon mal in U-Haft gesessen? (Eine Schluse hat mir mal erzählt, sie habe sich auf der Zelle einschließen lassen, um zu spüren, was uns so zermürbt. Hat es aber nicht gespürt.)
    Weber nickt. Er hat nicht aus Neugier gesessen, sondern unter Mordverdacht.
    Ich muss lachen.
    Aber nur kurz, schränkt er ein. Es war eine aufschlussreiche Erfahrung.
    Tja, das kommt in den besten Familien vor, bemerkt Lisa.
    Die U-Haft lässt sich im Rückblick regelmäßig dann nicht rechtfertigen, sagt ihr Gespiele, wenn sich bei der Verhandlung die Unschuld des Angeklagten erweist.
    Ich bin unschuldig.
    Man weiß es aber halt einfach nicht so genau, antwortet er.
    Doch, man weiß es. Die meisten meiner Kolleginnen leugnen gar nicht, sie bagatellisieren höchstens.
    In etlichen Fällen, erwidert der Staatsanwalt, verhilft allerdings erst die Erfahrung der U-Haft dem Beschuldigten zu der Einsicht, es könnte vorteilhafter sein, mit den Behörden zu kooperieren.
    Ah, man kocht ihn weich. Was würde ich bekommen, wenn ich gestehen würde?, frage ich.
    Wenn Sie die Tat begangen haben, wird sich ein Geständnis strafmildernd auswirken.
    Und wenn nicht?, frage ich zurück. Dann wird es strafverschärfend sein, dass ich es leugne, oder wie?
    Er antwortet nicht.
    Die Straferwartung bei Mord liegt ohnehin bei lebenslänglich. Weniger geht nicht, mehr auch nicht. Allerdings, eine besondere Schwere der Schuld könnten sie noch draufpacken. Dann käme ich nicht nach fünfzehn Jahren frei.
    Weber bietet mir und Lisa Zigaretten an und gibt uns Feuer. Dann steht er auf und geht ans Fenster. Die Schachtel lässt er auf dem Tisch liegen. Lisa schiebt sie mir hin und beugt sich vor.
    Sie schwitzt. Draußen knackt der Sommer. Freibad wäre schön. Weber trägt cremefarbene Hosen und ein violettes Poloshirt. Den Sakko hat er über die Lehne gehängt. Beide riechen nach Sonne und Freiheit. Nachher werden sie in einem gekühlten Auto nach Hause fahren. Durchs liebliche Remstal. In Stuttgart angekommen sind sie vielleicht in Stimmung, sich in einen Biergarten zu setzen. Sie haben ja Zeit. Sie können sich Auszeiten von meiner Geschichte nehmen. Nur ich sitze wie auf glühenden Kohlen eingeklemmt zwischen der Zeit, die ich schon hier bin, und der, die noch vor mir liegt. Die eine erscheint ungreifbar kurz und vertan im Rückblick, die andere endlos und nicht zu schaffen.
    Pass mal auf, meine Schöne, sagt Lisa leise. Ich habe eine sehr indiskrete Frage an dich, die – sie blickt sich zu ihrem Gefährten um, der uns den Rücken zukehrt und sich taub stellt – Richard dir ums Verrecken nicht stellen will. Sally hat mich darauf gebracht. Übrigens hat sie zugegeben, dass Till damals dabei war, als sie versucht haben, Tiere in der Wilhelma zu befreien. Genauso wie diese Andrea, die du hier in der U-Haft getroffen hast.
    Und ich war mir so sicher, dass eine Tierbefreiung, bei der Till dabei ist, professioneller und spektakulärer abgelaufen wäre.
    Lisa wiegt den Kopf. Vielleicht ist es ihm eigentlich um was anderes gegangen, mein Herz.
    Ich erschrecke, weiß aber nicht, warum.
    Sally engagiert sich derzeit sehr für die Orang-Utans, fährt sie fort. Die Wälder auf Borneo und Sumatra werden immer weiter abgeholzt, um Platz zu schaffen für Akazien- und Ölpalmplantagen für den sogenannten Bio-Kraftstoff.
    Ja, man schießt die Mütter aus den Bäumen – zwanzigtausend in den letzten zehn Jahren – und verkauft die Orang-Utan-Babys, falls sie überleben, an reiche Leute oder Zoos.
    Dann weißt du sicher auch, sagt Lisa, dass manche Orang-Utan-Weibchen in bestimmten Etablissements landen, wo sie Männern für Sex zur Verfügung stehen. Als äffische Huren gewissermaßen, nein, als Sexsklavinnen, denn sie werden ja nicht bezahlt.
    Ich weiß das, hätte es aber lieber nicht gewusst. Früher habe ich mich manchmal gefragt, warum sich die Äffinnen nicht wehren. Aber Gefangenschaft macht feige und schwach. Das weiß ich jetzt. Und Orang-Utan-Weibchen sind friedlich bis zur Lethargie. Sie brauchen ihre Kraft zum Klettern.
    Es gibt Organisationen, erzählt Lisa, die entsprechende Reisen und Kontakte vor Ort vermitteln, übrigens nicht nur nach

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