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Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Titel: Die Affen von Cannstatt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Indonesien, sondern auch in die USA oder europäische Länder. Und es gibt Tierparks oder Bauernhöfe, die sich auf Gäste dieses Kalibers spezialisiert haben. Sex mit Tieren ist in Europa nicht strafbar, vorausgesetzt, man fügt ihnen dabei keine erheblichen Schmerzen oder Leiden zu, wie es so schön heißt. Und es sind durchaus nicht nur Männer, die daran Interesse haben. Mäuse, denen man das Maul zugeklebt hat, in der …
    Ich winke ab. Das muss sie jetzt nicht ausführen. Ich höre förmlich den einstigen Anarchoveganer Till dozieren: Sodomie ist Tierquälerei. Punkt. Da gehören Gesetze her. Genauso wie gegen Massentierhaltung und Pelzhandel. Und so weiter.
    Lisa berichtet von einer Internetrecherche, die sie mit Hilfe eines Jungjournalisten aus der Tierrechtler-Szene unternommen hat. »Zoos« nennen sich diejenigen, die noch verhältnismäßig offen Auskunft über ihre Neigung geben. Foren gibt es für alles, angefangen bei lyrischer Zoophilie, bis hin zu illegalen Praktiken, bei denen die Tiere zu Tode kommen.
    Es gibt nichts, was der Mensch nicht tut. Das unterscheidet ihn vom Tier. Das tut nur das, was der Ernährung, Fortpflanzung oder Konfliktbewältigung dient.
    Wie gesagt, Sodomie ist zwar nicht illegal, sagt Lisa, aber die Leute bleiben unter sich. Homosexuelle können sich heute vergnügt outen, Zoophile eher nicht.
    Sie schaut mich an.
    Ich verstehe nicht. Dann erschrecke ich. Till? Nein! Nee …
    Aber es war doch dein erster Gedanke, sagt Lisa, als du dich bei unserem Besuch im Menschenaffenhaus gefragt hast, warum um alles in der Welt Till einbrechen und sich ein Bonobokind hätte greifen sollen.
    Sie hat meinen Text sehr genau gelesen.
    Und ja, das könnte der Gedanke gewesen sein, der mir in dem Moment entwischt ist, als ich ihn zu halten versuchte. Er ist mir wohl zu ungeheuerlich erschienen. So wie jetzt.
    Und dann der Schuh im Orang-Utan-Gehege, fährt Lisa fort. Den man am Morgen nach dem Besuch der Peofis-Truppe gefunden hat. Das einmal sperrangelweit offen stehende Fenster im Sommer. Nehmen wir an, Till war wenigstens drei Mal dort. Beim ersten Mal hat er den Lehrlingsschlüssel entdeckt, ein zweites Mal ist er gekommen, um sich Wachsabdrücke anzufertigen, beim dritten Mal hat er die Schlüssel ausprobiert und ist dabei irgendwie durch die Orang-Utans in die Bredouille geraten.
    Es wäre eine Erklärung. Aber nein, so einer ist … war Till nicht.
    Was macht dich da so sicher?, fragt Lisa.
    Ich starre sie an.
    Oder bist du dir doch nicht so sicher?, fragt sie. Denk nach, Camilla. Denk das Undenkbare.
    Ich versuche es. Till hat sich für meine Bonobos interessiert, auch für die Art, wie sie Sex machen, die Penisfechtereien der Männer untereinander, das GG-Rubbing der Frauen, und ob sie den Heterokoitus auch von vorn machen oder nur von hinten. Er ist mit mir mitgekommen. Meine Familie kennenlernen, hat er es genannt. Natürlich wollte er auch den berühmten Bonobosex sehen. Aber das ist doch normal und verständlich.
    War es das?, fragt Lisa.
    Besonders aufregend ist es nicht, antworte ich. Vor allem ist es sauschnell vorbei. Till war enttäuscht. Aber das heißt doch nicht, dass er … Ich schüttle wieder den Kopf.
    Aber Lisa lässt nicht locker. Denk genau nach. Hattest du irgendwann mal ein ungutes Gefühl bei seinem Interesse für deine Bonobos? Hat er sich auch sonst für Tiere interessiert? Ein längeres Verweilen seines Blicks auf Bildern von kopulierenden Tieren, das dir unbehaglich war. Hat er ein eher unmännliches Interesse an Tierfilmen im Fernsehen gezeigt?
    Himmel, Till war Veganer, rufe ich. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Tiere unseren Interessen unterworfen werden. Für ihn war es schon Missbrauch, wenn ein Hund in einem Film mitspielen musste. Über Naturfilme konnte er sich stundenlang ereifern. Für schöne Bilder stört man Vögel beim Brüten, für spektakuläre Aufnahmen rückt man Walen auf die Pelle. Er sah nur die kommerzielle Ausbeutung der Tiere zur Bespaßung des Fernsehpublikums, das sich seinerseits nicht die geringste Mühe macht, durch entsprechendes Konsumverhalten das Leben und den Lebensraum der Tiere zu erhalten.
    Und so weiter und so weiter, sagt Lisa und lehnt sich enttäuscht im Stuhl zurück.
    Andererseits …
    Ja?
    Er hat sich ja verändert. Er war irgendwie verbittert. Ich dachte, er ist böse auf … auf uns Frauen, letztlich auf mich.
    Er hat dir nicht verziehen, dass du dich von ihm getrennt hast, befindet Lisa.
    Ich weiß nicht.

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