Die Affen von Cannstatt (German Edition)
Ich war doch nicht so wichtig, nicht für ihn.
Sie lacht trocken und nimmt sich noch eine Zigarette. Dann redet sie sachlich weiter: Auf Tills Laptop findet sich auch nichts, was ihn in irgendeiner Form angreifbar gemacht hätte, hat mir einer aus der Soko versichert. Sie schaut dem Rauch ihrer Zigarette bis zur Decke hinterher. Sie sieht müde aus.
Und sonst?, erkundige ich mich. Konntest du sonst etwas … herausfinden?
Sie richtet ihre grauen Augen fast gelangweilt auf mich. Die haben alle entweder Alibis oder keine Verbindung zu Till. Frau Seitz ist zwar bei demselben Nikolausessen gewesen wie Till an seinem Todesabend. Doch sie hat sich im Anschluss von einem Taxi nach Hause bringen lassen, und zwar nach Winnenden. Manuelas Mann hat wiederum keine Verbindung zu Till. Außerdem geht es ihr inzwischen wieder besser.
Ich will nicht zulassen, dass meine Hoffnungen in sich zusammenfallen. Ich leugne vor mir selbst, dass ich Hoffnungen hatte. Lisa erwidert meinen Blick mit ausdruckslosen Augen. Wir sind am Ende. Ich werde verurteilt werden.
Was ist eigentlich mit dem Mann, der diese Event-Agentur-Chefin von Frau Feh auf der Theodor-Heuß-Straße angefahren hat?, fragt Weber plötzlich vom Fenster her.
Er liest noch genauer als Lisa.
Ja, Ilona Mergentheimer, rufe ich. Stimmt! Sie liegt, glaube ich, immer noch im Koma. Aber … aber was hat das mit Till zu tun?
Kennt man denn den Unfallfahrer?, erkundigt sich Lisa erregt.
Ich kenne ihn nicht. Meine Gedanken flattern. Soweit ich weiß, wurde er verurteilt. Aber wenn das Till gewesen wäre …
Was wird der bekommen haben?, überlegt Lisa.
Vermutlich so anderthalb Jahre auf Bewährung, antwortet Weber.
Ein guter Grund für Rache. Ilona hat Mann und Kinder.
Lisa schüttelt den Kopf. Aber Beziehungen zu den Bonobos hatten die doch sicher nicht.
Und wieder fällt alles zusammen.
Muss ich mich jetzt auch noch bei der Hyäne dafür bedanken, dass sie sich die Mühe gemacht hat, meine Mutter aufzutreiben? Ich kann keine Dankbarkeit in mir finden. Bestenfalls spüre ich Lisas Not. Sie hat einen Fehler gemacht, und den verzeiht sie sich nicht. Es ist ja auch ihr Ende. Wenn auch nur das ihrer Gewissheit, dass sie ihre Sache gut macht.
Hatte Till eigentlich einen Spitznamen?, fragt sie plötzlich.
Wie?
Einen Nickname, mit dem er sich üblicherweise in Foren angemeldet hat? Einen Kriegsnamen, wie ihn Jungs manchmal aus ihrer Jugend mitbringen?
Nicht, dass ich wüsste. Mein Hirn ist blank. Ich bin meilenweit weg von damals, der Tübinger Zeit und Tills Jugendgeschichten.
Doch. Es fällt mir ein: T-Bone. Manchmal auch Steak.
Sie lacht auf. Kopf hoch, meine Schöne. Du kommst hier raus. Und wenn ich den Laden eigenhändig sprengen muss.\\
Fortsetzung Verteidigung Camilla Feh
Mein letztes Gespräch mit Till vor seinem Tod war ein Streit. Ich habe ihm Manuela vorgehalten.
Tills Aufgabe bei Peofis war unter anderem die Kundenakquise. Er hat Golf gespielt und ist zu VfB-Spielen gegangen mit den Managern, in deren Betriebe wir dann unsere Berater geschickt haben. Vermutlich war er gut darin, ein Männerbündler. Das kann ihm keine Frau Dr. Seitz nachmachen. Es ist nie dasselbe.
Wahrscheinlich ist die Frage müßig, warum es Till nebenbei auch noch so wichtig war, Daniela oder Manuela, letztlich auch mich spüren zu lassen, dass er die Spielregeln bestimmt. Manuela hat in ihm einen Menschen gesehen, der sich nur gut fühlt, wenn andere sich schlecht fühlen. Vor allem Frauen. »Wenn er schon unsere Liebe nicht kriegt, dann sorgt er dafür, dass wir ihn hassen«, schrieb Manuela in ihren Protokollen noch relativ zu Anfang. »Es ist viel einfacher, sich Feinde zu machen als Freunde.« Wie der unglückliche Bonobomann Njema, der sich so gern an die Scheibe legt, um sich zu ärgern, wenn Leute dagegenklopfen. Einer, der negative Gefühle sucht, weil er sie leichter bekommt als Harmonie und Zuneigung.
»Er verweigert mir den Urlaub«, schrieb Manuela in ihren Gedächtnisprotokollen, »weil er genau weiß, dass es mir wichtig ist, mit meinem Mann Urlaub zu machen. Er will gebeten werden, dachte ich. Aber je mehr ich bitte und bettle, desto härter bleibt er. Er nennt es Gerechtigkeit. Er sagt, da könne ja jeder kommen. Er genießt es, wenn ich verzweifle.«
Till hat mich von seiner Sekretärin zu sich hoch rufen lassen. Gehen Sie durch, sagt sie zu mir, als ich ins Vorzimmer trete. Till steht von seinem Schreibtisch auf, der am Ende des Büros lauert, streckt mir die
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