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Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Titel: Die Affen von Cannstatt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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mich ja auf Till konzentrieren.
    Er wird scharf und knödelt mit der Stimme. »Ich muss schon sagen, ich kann mir unter diesen Umständen nicht vorstellen, wie wir künftig vertrauensvoll zusammenarbeiten sollen.«
    »Müssen wir ja auch nicht, Till«, antworte ich ihm. »Ich könnte mir gut vorstellen, dass es Frau Dr. Seitz interessiert, was du unternommen hast, um Manuela zu verunsichern und zu demütigen. Und vielleicht sind ja auch andere bereit, über ihre Erfahrungen mit dir als Vorgesetztem zu sprechen.«
    »Es tut mir leid, aber ich kann dir nicht ganz folgen, Camilla«, sagt er mit gespielter Verwunderung. »Gerade bei Manuela – deren Erkrankung niemand mehr bedauert als ich – dürften die Ursachen eher im privaten Bereich zu suchen sein. Alles andere ist eine infame Unterstellung.«
    Ich lache. »Till, hörst du dir eigentlich noch zu beim Reden? Denkst du wirklich, du kannst mich beeindrucken? Ich weiß doch, dass du beim Sex ein Frühstarter bist.«
    Er zuckt zusammen, wechselt die Farbe und ballert zurück: »Das kann man aber auch ganz anders sehen, meine liebe Camilla. Du bist doch ungefähr so erregbar wie kalter Kamillentee.«
    Es trifft mich. Aber ich spüre den Schmerz nicht. Ich bin wütend. Auf ihn, auf meine Mutter, auf meine Feigheit, auf das Scheißspiel meines Lebens. »Hat dich deine Frau deshalb verlassen?«, lege ich nach. »Und bist du eigentlich sicher, dass das Kind von dir ist?«
    Till springt auf. Nie habe ich eine solche Wut im Gesicht eines Menschen gesehen, Hass in den Augen, Mordlust. Eben noch rechne ich mit allem, doch im nächsten Moment sackt er zusammen, wendet sich ab, geht zu seinem Schreibtisch.
    Es ist nicht der Moment, »es tut mir leid« zu sagen. Es würde ihn nicht erreichen. Es tut mir auch nicht leid.
    Wie ich aus dem Büro hinausgelangt bin, weiß ich nicht. Seine Sekretärin guckt mich entsetzt an und fragt, ob alles in Ordnung ist. »Sie sind ganz weiß.«
    »Nein, alles okay«, antworte ich.
    »Was war denn los?«, fragt auch Arne, als ich runterkomme und mich außer Atem an meinen Platz setze.
    »Till wird meinen Vertrag nicht verlängern«, antworte ich ihm.
    »Ach, da reg dich mal nicht auf«, sagt er. »Das entscheidet der ja nicht alleine.« Ich muss Arne ziemlich skeptisch angeschaut haben, denn er beugt sich vor und sagt durch die Lücke der Computer hindurch mit gesenkter Stimme: »Der Knochen hat gerade selber ein paar Probleme.«
    »Ach.«
    Er grinst. »Ich sage nur: Spesenabrechnung. Der Knochen war Anfang des Jahres in Australien. Wegen eines Kunden, der mit einem Großauftrag winkte. In Sydney. Doch den Großauftrag haben wir bis heute nicht. Und jetzt hat mir ein Vögelchen gezwitschert, dass der Knochen auch einen Flug nach Brisbane und einen weiteren nach Longreach, Queensland, abgerechnet hat. Genau dort wohnt seine Ex mit der Tochter. Auf einer Rinderfarm im Outback. Und die brauchen bestimmt nicht unsere Kuschelbüromöbel und Datenmanagementsysteme.«
    Ich staune. »Warum macht der so was? Er verdient doch genug.«
    »Vielleicht weil es alle so machen«, antwortet Arne. »Weil sie es für recht und billig halten. Aber jetzt hat das Finanzamt mal nachgefragt. Geldwerter Vorteil und so. Und wer weiß, was sie noch so finden.« Er lacht in sich hinein.
    Erst zu Hause kommt der Schock. Ich verstehe mich selbst nicht mehr. Ich habe Till verletzen wollen, und es ist mir gelungen. Ich habe mich nach dem ersten Schock den Tag über als Siegerin gefühlt. Zufrieden und frei. Nun aber schäme ich mich. Und ich bin entsetzt über meinen Ausbruch an Gemeinheit. Wo kommt das her? Ist das immer schon in mir gewesen? Womöglich bin ich deshalb stets so kontrolliert. Weil ich mich insgeheim vor meiner Wut fürchte und vor dem, was sie anrichtet. Jetzt tut es mir leid. Sehr leid. Ich nehme mir vor, Till so schnell wie möglich um Entschuldigung zu bitten.
    Ich schlafe schlecht in dieser Nacht.
    Am andern Morgen, Freitag, rufe ich sofort oben in seinem Sekretariat an und frage, ob Till im Lauf des Tages vielleicht zehn Minuten Zeit für mich erübrigen könnte. Er ist nicht da, antwortet die Sekretärin, er kommt heute auch nicht mehr. Er hat angerufen, ihm sei nicht wohl. Aber heute Abend zum Weihnachtsessen im Trollinger will er wieder fit sein.
    Dazu bin ich allerdings nicht eingeladen.
Haftbuch, Montag, 17. Juni
    Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Jetzt, wo der Prozess näher rückt, habe ich die Hoffnung verloren. Ich zermartere mir das Hirn,

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