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Die Ahnen von Avalon

Die Ahnen von Avalon

Titel: Die Ahnen von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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ein langer Strahl am Himmel auf und zog einen goldenen Pfad über die sich verdunkelnde Ebene. Ardral murmelte etwas vor sich hin und ritzte schnell eine Reihe von Hieroglyphen in seine Wachstafel.
    Micail schloss die Augen gegen den hellen Schein und hatte das Gefühl, als ob das Sonnenlicht zu einem Energiestrom würde - als ob er mitten in diesem Strom stünde oder vielmehr am Zusammenfluss vieler solcher Ströme. Einer kam von Westen, wo die Sonne zur Tagundnachtgleiche unterging, und einer hatte seinen Ursprung weiter im Süden. Der Mittelpunkt des neuen Steinkreises würde auf einer von Nordosten nach Südwesten ausgerichteten Achse liegen, um den Mittsommersonnenaufgang einzufangen und den Energiefluss zu verstärken.
    »Ihr wart noch nie zur Tagesneige hier draußen, oder?«, hörte er Ardral sagen. »Wenn die Sonne auf-oder untergeht, spürt man die Strömungen ziemlich stark. Deshalb haben uns die Seher hierher geführt. Wenn es uns gelingt, die Steine im richtigen Winkel zueinander aufzustellen, wird an diesem Ort eine gewaltige Bündelung von Macht entstehen.«
    Micail öffnete die Augen und stellte fest, dass die Arbeiter verstummt waren.
    »Wenn der Omphalos-Stein gerettet worden wäre, hätte Tjalan ihn hier aufgestellt«, fügte Ardral hinzu. »Vielleicht ist es ein Segen, dass…« Was immer er noch hatte sagen wollen, wurde nicht mehr ausgesprochen, da ein lauter Schreckensschrei ertönte.
    Lanath stand wie versteinert da und starrte erneut zu den Hügelgräbern. Die Arbeiter beobachteten ihn.
    »Seht doch, irgendetwas ist aus dem Grab gekommen!« Ihr Raunen wurde lauter. »Der junge Priester sieht es! Der alte Priester ist erzürnt, weil wir die Steine bewegt haben! Drochrad hatte Recht! Wir sollten nicht hier sein!«
    Micail blinzelte in die halbdunkle Landschaft, und als er einen großen gehörnten Kopf sah, lachte er. »Seid ihr Kinder, dass ihr euch von einer alten Kuh erschrecken lasst?« Es folgte ein Augenblick gespannter Stille, der von einem klagenden Muhen durchbrochen wurde. »Eine Erscheinung kann auch die Gestalt einer Kuh haben«, flüsterte jemand, doch dann lachten alle.
    »Und wenn hier tatsächlich ein Dämon wäre…« Ardrals Stimme forderte ihre Aufmerksamkeit. »Glaubt ihr denn, ich würde euch nicht beschützen?« Im verblassenden Licht konnten alle die schimmernde Strahlung sehen, die ihn umwirbelte.
    Micail wusste, dass dies nur ein Zaubertrick war, die Art von Hokuspokus, welchen die Eingeweihten und Priesterschüler, die ihn unterrichtet hatten, als unter ihrer Würde erachtet hatten… ohne jedoch ganz dagegen gefeit zu sein. Micail holte tief Luft und verlagerte sein Bewusstsein, um Energie in seine Aura fließen zu lassen, bis sie ebenfalls schimmerte.
    Ob Drochrad so etwas wohl kann?, fragte er sich mit einem Anflug von Stolz, der jedoch sehr schnell einem Gefühl von Scham wich. Die Prophezeiung besagte, dass er aufgrund seiner Bemühungen den neuen Tempel errichten werde. Sollte dieses Bauwerk nun eine Stätte sein, wo den Mächten des Lichtes gedient wurde, oder sollten damit irgendwelche Ziele eher irdischer Natur verfolgt werden?

    Der Winter war die Zeit, da die Atlantiden sich am meisten nach ihrer Heimat sehnten. Nach beinahe drei Jahren schmerzten Micails Knochen noch immer, wenn der Nordwind Schnee mit sich brachte. Gott des Winters, pflegte er zu fluchen, bei dieser Kälte würde selbst der viergesichtige Banur mehr Scheite ins Feuer legen! Doch für den Augenblick hatten das lodernde Feuer in der Mitte des königlichen Rundhauses und die pure Körperwärme der Anwesenden, die sich zum Mittwinterfest versammelt hatten, die Temperatur immerhin so sehr ansteigen lassen, dass Micail beinahe danach zumute war, seinen Umhang aus Schaffell abzulegen.
    Zu Khattars Linken saßen seine Schamanen und zu seiner Rechten die atlantidischen Priester in zwangloser Anordnung. Die Häuptlinge der fünf Stämme hatten ihre Umhänge und runden Hüte schon vor längerer Zeit abgelegt und lümmelten jetzt in Tuniken aus gemusterter Wolle lässig auf den Bänken. Drochrad trug immer noch seine Hirschlederkleidung, die bemalt und mit vielen klappernden Schmuckstücken aus Knochen behängt war.
    Micail fragte sich, ob er Jiritaren und Naranchada sowie die Priesterschüler zusammen mit Ardral und den anderen für den Winter zurück nach Belsairath hätte schicken sollen, aber das gesellschaftliche Leben in Tjalans neuer Hauptstadt schien ihm ein schlimmeres Exil zu sein als dieses

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