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Die Ahnen von Avalon

Die Ahnen von Avalon

Titel: Die Ahnen von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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Khattar - das Murren der Leute ist unüberhörbar.«
    Micail blickte zum Neffen des Königs, Khensu, der mit den jungen Kriegern an der Nordseite des Saals saß, und als dessen Augen den seinen begegneten, las er darin eine ähnliche Einschätzung. Wie in den Inselstaaten war auch hier ein Prinz die Seele seines Landes. Micails Vater hatte sich dafür entschieden, lieber Qualen auf sich zu nehmen, als dieses geheiligte Vertrauen zu verraten. Doch hier, so wurde Micail allmählich klar, war die Beziehung zwischen König und Land von noch größerer Bedeutung. Die Königin diente der namenlosen Göttin des Landes, die ewig war; der Gott aber, der sie fruchtbar machte, wurde durch den König verkörpert. Wenn die Ernte zu häufig schlecht ausfiel, musste ein stärkerer Mann gewählt werden, und der alte König musste sterben.
    Ohne dem Schamanen Beachtung zu schenken, hielt Khattar eine Hand mit gespreizten Fingern hoch. »Ihr macht fünf große Steine für die fünf Mutterstämme, und der Außenkreis ist für die einzelnen Sippen.«
    »Nun, das ist eigentlich nicht genau…«, setzte Naranchada an, doch Jiritaren versetzte ihm einen kräftigen Stoß in die Rippen.
    Drochrads Stirnrunzeln vertiefte sich.
    »Ihr bringt Sonnenkraft in den Kreis…«, setzte Khattar an, doch der Rest seiner Worte ging in Jubelrufen unter, und die ersten abgehackten Trommelwirbel wurden laut.
    Zu Beginn des Festes war das Feuer so heiß gewesen, dass man einen weiten Umkreis darum herum frei gelassen hatte. Doch im Lauf der Stunden waren die Scheite zu einem sanften Glühen herabgebrannt, und die verbleibende Hitze reichte aus, um eine angenehme Wärme im Saal aufrechtzuerhalten. Jetzt machten es sich die Trommler um das Feuer herum behaglich; einige von ihnen neigten ihre Trommeln zum Feuer hin, um die Bespannung zu straffen, während die anderen mit einem sanften rhythmischen Schlagen anfingen, das die allgemeine Aufmerksamkeit forderte. Jegliche Unterhaltung verstummte.
    Der Neffe des Königs erhob sich und winkte seine Freunde zu sich; jene, die nüchtern genug waren, stellten sich am Feuer neben ihn. Die Hände jeweils auf die Schultern des anderen gelegt, vollführten sie einen Tanz um das Feuer, wobei sie sich im Gleichtakt neigten und sprangen. Ihre Bewegungen wurden immer schneller, und sie fügten immer kompliziertere Figuren hinzu, bis zunächst der eine oder andere und dann immer mehr ins Stolpern gerieten und lachend aus der Reihe ausscherten. Micail überraschte es nicht, zu sehen, dass der Letzte, der noch tanzte, Khensu war. Er bewegte sich eher kraftvoll als elegant, aber sein Durchhaltevermögen war eindrucksvoll. Mit seinem lockigen braunen Haar und dem muskulösen Körper vermittelte er eine Ahnung davon, wie König Khattar in der Jugend ausgesehen haben mochte. Jeder von ihnen wäre in einem Kampf ein Furcht erregender Gegner, dachte Micail und fragte sich, warum ein Tanz ihn ausgerechnet an Krieg erinnerte. Schließlich hielt auch Khensu im Tanzen inne und hob die Hände, um den Beifall der Leute entgegenzunehmen. Der König indes verfolgte das Geschehen mit leicht gequälter Miene, die vermuten ließ, dass es ihm lieber gewesen wäre, hätte sein Nachfolger etwas weniger Begeisterung geerntet.
    »Ihr sollt die Steine schnell aufrichten - meinen zuerst«, murmelte Khattar. »Dann geben die Ahnen mir Kraft.« Er hielt seinen Becher zum Nachfüllen hin.
    Michail seufzte und sagte nichts darauf, in der Hoffnung, dieses Thema werde nicht weiter vertieft. Das Ganze lief auf eine Frage der Macht hinaus, aber mit welcher Absicht und zu wessen Gunsten? Khattar wollte die Steine, um unter den einheimischen Stämmen eine herausragende Stellung zu erlangen; Tjalan wollte sie als Brennpunkt, um den herum er die ehemaligen Inselstaaten wieder aufbauen könnte. Oder vielleicht sogar das gesamte Reich. Naranchada und Ocathrel und die meisten anderen Priester wollten sie nur, wenn überhaupt, als Gelegenheit, um ihr Können unter Beweis zu stellen, als Begründung dafür, dass ihr Überleben einen Sinn gehabt hatte.
    Das war anfangs auch mein Gedanke gewesen, dachte Micail, und vielleicht hat sich daran nichts geändert. Was hat Ardral neulich gesagt? Es ist, als ob Bildhauer eine Statue von Gott fertigten, nur um zu sehen, ob das machbar sei.
    Und warum wünsche ich mir den Tempel? Diese Frage hatte er sich bis vor kurzem noch nie gestellt, aber inzwischen war sie zu einem ständig bohrenden Gedanken in seinem Bewusstsein

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