Die Ahnen von Avalon
tanzen gesehen hatte, nur mit ihren safrangelben Schleiern angetan?
Die am straffsten bespannten Trommeln dröhnten, einmal, zweimal und immer wieder, während Anet sich in den leeren Raum vor dem Feuer bewegte, die wohlgeformten Arme hoch erhoben. Dann fielen die anderen Trommeln ein, ein wortloses Wechselspiel von Frage und Antwort, auf das Micails Puls mit heißem Pochen reagierte - obwohl die Tänzerin ihre Darbietung noch nicht einmal begonnen hatte. Erst als die Figur aus poliertem Bernstein, die zwischen ihren jungen Brüsten lag, im Licht aufleuchtete, erkannte er, dass jeder Zentimeter ihres Fleischs schimmerte, während ein beherrschtes Beben ihren Körper durchlief, das sich von den Knien zur Brust und wieder zurück fortsetzte.
»Sie lenkt die Bahnen der Macht«, sagte Naranchada mit tiefer, gequälter Stimme, und Jiritaren nickte betrunken.
»Wenn man ihnen so etwas im Heiligtum von Carn Ava beibringt, dann sollten wir unsere Mädchen dorthin schicken«, entgegnete Jiritaren.
Micail hörte sie, brachte jedoch keinen Ton heraus. Das Atmen fiel ihm schwer, und seine Haut kribbelte. Er spürte, wie sich jedes einzelne seiner Nackenhaare aufstellte, und die Luft um ihn herum schien vor Spannung zu knistern. Dieses Mädchen war nicht mit seiner über alles geliebten Frau zu vergleichen - und dennoch lagen in ihrem Tanz eine Inbrunst und eine Anmut, die ihn seltsam an Tiriki beim Gebet erinnerten.
Kaum wahrnehmbar beugte sie die Knie; ihre Arme wanden sich langsam nach unten, rundherum, wieder hinauf - eine ständige wellenförmige Bewegung, mit der sie sich um die hohen Säulen wand, welche die Decke stützten. Das Licht des Feuers fiel auf ihr braunes Haar, sodass es denselben gefleckten Goldton hatte wie trockenes Gras auf den Hügeln, wenn die Sonne darauf fiel. Micail hatte den Eindruck, dass sie vom Strahlen Manoahs berührt war, und er dachte: Sie tanzt das Licht zurück in die Welt.
Viermal vollführte sie auf diese Weise die Runde durch den Saal, indem sie sich zwischen den Säulen hindurchschlängelte. Jedes Mal hielt sie inne, wandte sich in eine andere Richtung, sank auf die Knie und beugte sich nach hinten, dann streckte sie beide Beine und Arme, während ihr Rücken sich wie ein Bogen spannte, bis sie mit einer plötzlichen Drehung wieder hochschnellte, die Arme erhoben, um von neuem zu beginnen. Mit einem wirbelnden Seitenschritt vollführte sie schließlich einen letzten Kreis, hob ihren Bärenfellumhang auf und warf ihn sich um. Es war, als ob das Licht aus dem Raum verschwunden wäre. Sie stand reglos da und lächelte schwach, während ihre Zuschauer in einem kollektiven Seufzer die Luft ausließen; dann drehte sie sich um und entschwand durch die Menge zu der sich öffnenden Tür.
Im Vorüberhuschen traf ihr Blick flüchtig Micails. Sie hatte grüne Augen.
»Welch ein erstaunliches Mädchen!«, sagte Jiritaren, ein wenig zu überschwänglich.
»O ja. Genau wie ihre Mutter, als sie jung war und ich mich mit ihr davongemacht habe.« Der König grinste, in die Erinnerung versunken, und seine schlechten Zähne zwischen dem grau gesträhnten Bart waren zu sehen. »Wir müssen einen guten Ehemann für Anet finden, bevor irgendein Heißsporn mit mehr Draufgängertum als Verstand beschließt, es mir nachmachen zu wollen!« Sein schräger Blick fiel auf Micail. »Khayan-e-Durr sagt, ich solle sie mit Euch verheiraten, fremder Heiliger. Was meint Ihr dazu?«
Micail sah ihn erschrocken an. Aber ich bin doch mit Tiriki verheiratet, dachte er, und im selben Augenblick wurde ihm klar, dass er es nicht wagte, zu antworten.
Schließlich rettete Naranchada ihn aus der misslichen Lage. »Großer König, wir wissen die Ehre zu würdigen, die Ihr uns erweist, aber bitte bedenkt, dass mein Herr, Prinz Micail, zum Königsgeschlecht unseres Reichs gehört - er kann also keine Verbindung eingehen… ohne sich mit Prinz Tjalan zu besprechen«, beendete Ancha den Satz beinahe so glatt, als ob er von Anfang gewusst hätte, was er hatte sagen wollen.
Micail sah, wie Drochrad hinter Khattars stämmigen Schultern die Stirn runzelte, noch tiefer als zuvor, falls das möglich war. Dieser Antrag war auch für den Schamanen völlig überraschend gekommen. Die Erkenntnis, dass es noch weitere Gründe als seine eigene Verwirrung geben mochte, um einer unmittelbaren Antwort auszuweichen, kam mit eisiger Klarheit über Micail.
»Die Sache verhält sich so…«, stammelte er und sah, wie sich die Miene des Königs
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