Die Ahnen von Avalon
Glück liegt den Stämmen ebenfalls daran, dass der Steinkreis fertig gestellt wird. Sobald der letzte Stein an seinem Platz ist, werden sie ihren nächsten Zug tun - obwohl das der schlechteste Zeitpunkt dafür sein wird! Sie ahnen nicht im Entferntesten, welche Kräfte wir aufbieten können, wenn der Energiekreis erst einmal geschlossen ist.
»Hoheit, es wird bald dunkel«, sagte eine alte Frau, die Anführerin der Arbeitsgruppe des Stammes des Weißen Stiers. »Dürfen wir zu unseren Feuerstellen zurückkehren?«
»Ja, es ist Zeit.« Micail nickte.
Er setzte sich am Boden nieder und lehnte sich an einen der halb polierten Steine, um zuzusehen, wie die Männer sich einer nach dem anderen entfernten und zu ihrem Lager am Fluss zurückkehrten. Auch er hatte keinen weiten Weg, um etwas zu essen, ein Dach über dem Kopf zu haben und die Gesellschaft seinesgleichen zu finden, doch er merkte, dass er zögerte zu gehen. Es wurde zu viel geredet, das war das Problem - die vielen kleinen Anspielungen und Seitenhiebe, das ständige Streben nach Rang und Anerkennung - all das machte ihn allmählich wahnsinnig.
Er blieb immer noch sitzen und beobachtete halbherzig das geheimnisvolle Spiel von Abenddämmerung und Wolken mit dem Hintergedanken, dass er, wenn er spät genug ins Lager käme, vielleicht Cleta oder Elara dazu überreden könnte, ihm etwas zu essen in seine Hütte zu bringen, wo er abgesondert von den anderen wäre. Dabei kam ihm zu Bewusstsein, dass er kaum jemals einen Anlass gesehen hatte, sich vor den Priesterschülerinnen in Acht nehmen zu müssen, nicht einmal nachdem Elara ihm offenbart hatte, dass sie selbst, falls es dem König in den Sinn käme, sich eine Gefährtin zu nehmen, gern bereit wäre, ihm ein Kind zu gebären.
Doch sie hatte keinen Druck auf ihn ausgeübt, und nun, da er so allein dasaß und den Sonnenuntergang beobachtete, ertappte er sich dabei, dass er erwog, ihr Angebot anzunehmen, und wenn auch nur als Ablenkung von der aufwühlenden Erinnerung daran, wie es sich angefühlt hatte, Anet in den Armen zu halten.
Allein der Gedanke an ihren geschmeidigen Tänzerinnenkörper entzündete ein Feuer in seinem Körper. Er runzelte die Stirn, und die fast frivolen Bilder, die er im Geiste vor sich sah, wurden durch die plötzliche Erinnerung an eine Legende der Einheimischen vertrieben, die er kürzlich gehört hatte und die besagte, dass die Steine einiger der älteren Kreise angeblich in der Dunkelheit erwachten und sogar bei größeren Feierlichkeiten tanzten. Die Steine hier bewegten sich bereits in seiner Vorstellung, ein Flüstern lag in der Luft.
Der ursprüngliche Steinring war offenbar Teil eines schlichten Feuerbestattungsfriedhofs gewesen wie der Erdwall, der den Priesterschülern auf dem Weg hierher einen so großen Schrecken eingejagt hatte. Die meisten anderen Kreise waren offenbar ebenfalls als Grabstätten gebaut worden. Doch es war nicht zu leugnen, dass bei Einbruch der Nacht dieser Ort irgendwie fern wirkte und gleichzeitig auch größer, sodass er sich in ein nicht erfassbares Etwas verwandelte, das es schwierig machte, an irgendetwas anderes zu denken. Seufzend stand Micail auf und machte sich auf den Weg über die Ebene, wobei er versuchte, an gar nichts zu denken.
In dieser Nacht dauerte es sehr lange, bis er endlich einschlief. Und in der stillen Stunde vor dem Morgengrauen entstand aus seinen unruhigen Träumen eine Vision von grünen Hügeln und einem goldenen Weg, auf dem er Tiriki herankommen sah, eingehüllt in blaues Licht.
Der Frühling war im Sumpfland eine Zeit der Hoffnung; am Boden grünten die Pflanzen, am Himmel erschallten die Schreie von Wandervögeln. Wann immer sich die Schwimmvögel auf den Teichen niederließen, wurde ihr gedämpftes Rufen noch melodischer, als ob die Windgötter selbst Hymnen an die Erde sängen. Es war die Zeit, um Eier und zarte neue Blätter zu sammeln, und das erweiterte Nahrungsangebot erneuerte die Zuversicht und die Kraft der Menschen am See. Es war die Zeit für schönes Wetter und bessere Lebensbedingungen, aber es war auch die Zeit, um die Arbeit an dem spiralförmigen Labyrinth wieder aufzunehmen, welches sie nach den Hochzeitsfeierlichkeiten für Kalaran und Selast in die Hänge des Heiligen Berges zu hacken begonnen hatten.
Tiriki straffte sich und bohrte die Fingerknöchel der linken Hand in den unteren Teil ihres Rückens, um die Schmerzen zu lindern; ihre Hacke hatte sie in den Boden gerammt und dort stecken
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