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Die Ahnen von Avalon

Die Ahnen von Avalon

Titel: Die Ahnen von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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»Es tut mir Leid.«
    Reidel griff nach seiner Tunika und seinem Gürtel und stand auf, wobei er sich das Kleidungsstück um die Schulter warf, als ob es ihm zuwider wäre, seine Nacktheit zu verbergen. »Es tut dir Leid! Ich wüsste dafür einen gröberen Ausdruck.« Doch er sprach ihn nicht aus, und dieser Umstand bewies ihr, dass das, was er für sie empfand, tatsächlich Liebe war. Einen Augenblick lang sah sie die vollkommenen Linien seiner muskulösen Schultern und schmalen Hüften, die sich gegen die Sterne abzeichneten, dann wandte er sich ab und ging mit entschlossenen Schritten davon, ohne sich noch einmal zu ihr umzusehen.
    Ich habe die Wahrheit gesagt, redete sie sich ein. Ich liebe ihn nicht! Doch warum war dann ihr Blick von Tränen verschwommen, als sie seiner sich entfernenden Gestalt nachsah?

16. Kapitel
    Der Abend ist kalt, der Wind zerrt an Haaren und Kleidung wie ein ungezogenes Kind, doch Chedans Reiseumhang hält ihn warm. Sein Körper ist wieder jung und folgt jedem Befehl seines Willens.
    Der Schrei eines Raubvogels durchbricht die Stille - Skiriiiil! Der Falke ist gleich darauf über ihm. Instinktiv duckt sich Chedan, doch der befürchtete Angriff bleibt aus.
    Kurz darauf nähert er sich dem leuchtenden Kreis aus aufrecht stehenden Felsbrocken. Fünf große Dreisteine ragen im Nebel auf, und in ihrer Formgebung erkennt er den Hauch von Atlantis. Doch die Statue eines Drachen steht zwischen ihm und den Steinen. Er hält im Gehen inne, lauscht, als eine Stimme, schwach vor Schmerz, doch seltsam vertraut, flüstert: »Tiriki, Tiriki.«
    »Bist du da?«, fragt Chedan in melodischem Singsang. »Micail? Bist du es?«
    Doch der Drache hat sich in einen Falken mit Micails Gesicht verwandelt; der Vogel schlägt mit glänzenden dunklen Federn gegen den grauen Nebel.
    »Osinarmen? Verkleidest du dich? Hier?«
    »Skiriiiil!« Der gleiche Schrei wie zuvor ist die einzige Antwort.
    »Warte!«, ruft Chedan, doch Micails Geist ist schon davongeflogen, tief hinein in ein dunkleres Traumland, und obwohl Chedan ein Magier ist, und zwar ein mächtiger, wagt er es nicht, ihm zu folgen.
    »Deswegen hast du ihn nicht gefunden.«
    Chedan wendet sich um, sieht jedoch nur den leuchtenden Kreis aus Steinen.
    »Er kann dich nicht erkennen. Obwohl er deinen Rat so dringend braucht wie nie zuvor, hast du keinen Einfluss auf ihn. Schon gar nicht hier. Er glaubt, dass du tot bist. Er fürchtet, du überbringst eine Botschaft, die er nicht hören will. Aber darum geht es nicht - die Prüfung gilt Micail. Durch seine eigenen Taten muss er sich behaupten - oder er wird untergehen. Du kannst ihn nicht vor der Erfüllung seiner Bestimmung bewahren.«
    »Wer bist du?«, singt Chedan mit einem befehlenden Unterton. »Gib deine währe Gestalt zu erkennen!«
    »Ich kann mich nicht jemandem zu erkennen geben, der nicht sieht. Wenn du sehen kannst«, murmelt die Stimme, »dann wirst du erkennen. Doch die Menschen sind niemals so sehr in der Vergangenheit verfangen, wie wenn sie einen Blick in die Zukunft erhaschen…«
    Die Stimme wird zu einem Wirbelsturm, der ihn Hals über Kopf von dem Steinkreis wegschleudert.
    »Geh zurück, Chedan!«, befiehlt die Stimme. »Wenn die Zeit gekommen ist, dass du dein Vermächtnis weitergibst, wird sich der Weg auf tun. Du wirst nicht fragen, wer oder wann oder warum… du wirst es wissen. Aber bis dahin… geh zurück. Vollende die Arbeit, die du tun musst.«
    Chedan erwachte schweißgebadet in seinem groben Bettzeug; in seinem Kopf schwirrten immer noch Bilder von aufrecht stehenden Steinen herum, die wild tanzend im Nebel davonwirbelten.
    Micail!, rief sein Geist. Wo bist du?
    Seit er zum Heiligen Berg gekommen war, hatte er schon oft von Micail geträumt. Manchmal waren sie dann wieder in Ahtarrath oder sogar im Alten Land. Sie gingen miteinander spazieren oder saßen bei einer Karaffe hellenischen Weins zusammen, versunken in die Art tiefsinniger Unterhaltung, die beide Männer so liebten. Chedan war sich dumpf bewusst, dass diese Gespräche eine Art Unterricht waren, als ob er im Schlaf versuchte, all das Wissen weiterzugeben, das zu vermitteln er in der Welt des Wachseins versäumt hatte, weil ihm die Zeit dafür nicht gegeben worden war.
    Wohin, so fragte er sich, ging all dieses Wissen? Er wusste, dass Tiriki im Innersten ihres Herzens glaubte, dass ihr Geliebter irgendwo auf dieser Welt noch am Leben sei. Chedan hingegen hielt es für ebenso möglich, dass er sich in seinen Träumen mit

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