Die Ahnen von Avalon
für die erste Umrundung zu ebnen. Inzwischen arbeiteten sie an der Strecke nach unten, der ersten Rückführung. Der gesamte Weg war sorgfältig mit Stöcken abgesteckt worden, doch inzwischen war so viel auf dem Boden herumgetrampelt worden, dass bereits ein schmaler Pfad entstanden war, kaum breiter als eine Wildspur.
Tiriki schwankte, da sie ein leichter Schwindel überkam, als sie sich das Labyrinth vorstellte; selbst Chedans erste Skizzen hatten sie schwindelig gemacht, da diese sie an ein Zeichen oder eine Inschrift erinnert hatten, die sie ihrer festen Überzeugung nach schon einmal gesehen hatte, ohne zu wissen, wo oder wann. Der Magier hatte ihr versichert, dass das Muster keiner Darstellung und keinem Schriftzeichen ähnelte, das ihm vertraut gewesen wäre, und Danetrassa, der sogar noch belesener und schriftenkundiger war, sagte das Gleiche; dennoch ließ sie der Gedanke, dass es eine ganz besondere Bedeutung barg, nicht los.
Doch ob es nun aus ältester Vorzeit stammte oder jüngeren Ursprungs war, das Muster hatte jedenfalls seine Wirkung. Sie und Chedan waren es mehr als einmal abgeschritten und hatten jedes Mal die Nähe einer anderen Welt gespürt und waren von dem Geist, der diesem Land innewohnte, durchdrungen gewesen. Dies war nicht der Tempel, den die Prophezeiungen beschrieben hatten, doch die Macht dieser Stätte wurzelte tief und war gefestigt. Wenn der Weg einmal fertig sein würde, davon war sie überzeugt, würde jeder ihn beschreiten können, und für jeden würde er sich als segensreich erweisen.
Tiriki bearbeitete den Boden weiter mit der beinernen Schippe und atmete tief durch, als ihr der schwere Erdgeruch in die Nase stieg. Hier, unter den Bäumen, die den Fuß des Heiligen Berges umstanden, war der Boden angereichert mit Humus, der aus den herabgefallenen Blättern vieler Jahrhunderte entstanden war. An den oberen, grasbewachsenen Hängen würde das Graben schwieriger sein, da der felsige Untergrund kaum mit Mutterboden bedeckt war. Sie grub die Finger in die weiche Erde und spürte, wie die Kraft in sie strömte, als ob sie selbst ein Geschöpf der Lebenselemente auf dem Heiligen Berg wäre, ein Gewächs, das dank Wind und Regen, Sonne und Erde gedieh…
» Kräftig trinken… hoch greifen… wir werden den Sturm überleben! «
Erschrocken hob sie die Hände, und die gespenstische Stimme verstummte.
Sturm?, überlegte sie und blickte hinauf zum wolkenlosen Himmel. Doch das Läuten der alten Schiffsglocke verkündete, dass die Mittagsmahlzeit angerichtet war, und ihr Bauch meldete, wie recht ihm das war.
Lange rote Strahlen der im Westen untergehenden Sonne fielen schräg zwischen den Bäumen hindurch. Im Osten ging ein silberner Mond über dem Heiligen Berg auf. Damisa stand im Teich der Roten Quelle, schöpfte mit den Händen Wasser und goss es sich über den Körper. Das eisenhaltige Wasser war zunächst durch einen flachen Teich geflossen, wo es von der Sonne mäßig erwärmt worden war, doch es war immer noch so kühl, dass es ihr eine Gänsehaut bereitete.
Taret hatte sie angewiesen, am Tag nach dem Ende ihres Monatszyklus die Quelle aufzusuchen, sofern das Wetter es erlaubte. Auch das gehörte zum Ritual des Übergangs. »Wir Frauen sind wie der Mond«, pflegte die weise Frau zu sagen, »jeden Monat fangen wir neu an.« Damisa hoffte, dass das stimmte. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass sie am liebsten ihr ganzes Leben noch einmal von vorn anfangen würde. Es war ohnehin alles falsch gelaufen. Sie war in den Luxus des alkonischen Adels hineingeboren und zum Dienst im Tempel des Lichtes ausgebildet worden und nicht für die Schinderei in der zermürbenden Welt von Hacken und Kochtöpfen.
Eine Zeit lang hatte sie gehofft, damit glücklich zu werden - oder zumindest ein wenig Spaß daran zu finden -, doch diese Hoffnung war nun gründlich vergangen. Nicht nur, dass Selast für sie verloren war, da diese sich ganz und gar auf das Kind vorbereitete, das sie erwartete, sondern sie hatte auch noch Reidel vertrieben. Sie redete sich ein, dass ihr Ehrgefühl sie daran hinderte, ihn aufzusuchen, obwohl sie sich nach nichts mehr sehnte, als in jemandes Armen Trost zu finden. Doch während der ganzen Zeit hatte sie niemanden gefunden, der ihr dafür geeignet erschien. Sie schüttete sich noch mehr Wasser über den Kopf und beobachtete, wie die Tropfenjuwelen gleich rot und golden glitzernd, ihr langes kastanienbraunes Haar benetzten.
Einer Eingebung folgend, drehte sie sich
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