Die Ahnen von Avalon
über den fernen Hügeln leuchteten. Tiriki sieht denselben Sonnenuntergang, dachte er mit aufwallenden Gefühlen.
»Um ehrlich zu sein«, sagte Damisa zögernd, »ich vermute, ich habe ihm einigen Grund zu der Annahme gegeben, dass es so sein könnte. Aber das war ein Irrtum. Ich habe versucht, es ihm zu erklären. Jetzt spricht er nicht mehr darüber, aber er sieht mich auf eine besondere Weise an.«
»Wenn er dich belästigt…«, setzte Micail an, doch sie schüttelte den Kopf.
»Nein!« Sie errötete. »Es tut mir Leid. Ich bin so sehr an das zwanglose Leben auf dem Heiligen Berg und im Sumpfland gewöhnt. Ich habe mich bereits in Gegenwart von Prinz Tjalan unschicklich benommen, was mir äußerst peinlich ist. Bitte, Hoher Herr! Die Sache mit Reidel ist meine Angelegenheit - ich habe einen Fehler gemacht und muss die Verantwortung dafür übernehmen. Bitte!«
Micail nickte und musterte sie abschätzend. Sie war sicher nicht mehr das ernste kleine Mädchen, das er in Ahtarra kennen gelernt hatte, und doch hatte die junge Frau, die jetzt vor ihm stand, immer noch etwas so verblüffend Selbstverständliches an sich. »Du hast eine gute Ausbildung genossen, wie ich feststelle«, sagte er lächelnd. »Aber du brauchst mich nicht ›Hoher Herr‹ zu nennen. Das bekomme ich oft genug zu hören. Nenn mich einfach Micail. Und, bitte, erzähl mir etwas über Tiriki«, fügte er begierig hinzu.
»Natürlich«, antwortete Damisa. »Sie ist wohlauf, Caratra sei Dank. Sie war es, die uns während der vergangenen Jahre Kraft und Lebensmut gegeben hat - zusammen mit Chedan.«
»Warum ist sie dann nicht mitgekommen?«
»Ich bin sicher, dass sie das wollte«, antwortete Damisa schnell. »Aber sie hatte schon die ganze Nacht an Alyssas Sterbebett gewacht. Und als sie erfuhr, dass Ihr hier seid - und sie erfuhr es auf eine sehr seltsame Weise -, da brachte sie das völlig aus der Fassung. Wie wenn man ein Gespenst sieht… Nicht, dass sie jemals den Glauben aufgegeben hätte, Euch eines Tages wieder zu finden, doch ihre Hoffnung war immer geringer geworden. Deshalb war Chedan der Ansicht, es sei besser, jemanden mit einer robusteren Natur zu schicken - jemanden, der entbehrlicher ist, soll das wohl heißen…« Sie grinste. »Ich nehme an, dass sie fürchterlich wütend war auf Chedan, als sie aufwachte und feststellen musste, dass wir weg waren - und bestimmt hat sie es ihn auch merken lassen.« Damisa errötete erneut.
Micail blinzelte und versuchte sich vorzustellen, dass seine sanftmütige Tiriki irgendjemandem heftige Vorwürfe machte. »Dann ist Chedan also Euer Oberhaupt?«
»Eigentlich nicht… oder vielleicht doch, in gewisser Weise. Er sagt immer, wir sind eine zu kleine Gruppe, um ein erklärtes Oberhaupt zu haben. Eigentlich ist es so, dass er und Tiriki fast in jeder Hinsicht die Verantwortung gemeinsam tragen.«
So wie es zwischen ihr und mir zu Hause war. In welcher Hinsicht hat er wohl sonst noch meine Rolle übernommen?, dachte Micail mit einem Anflug von Eifersucht, doch noch während dieses Gefühl in ihm brannte, wusste er, dass er kein Recht hatte, irgendetwas zu verurteilen, das seine Frau vielleicht gezwungenermaßen hatte tun müssen, um in einer Umgebung zu überleben, die sich entschieden feindlicher anhörte als Belsairath oder auch Azan.
Die Weidenäste raschelten in der leichten Brise, und irgendwo weit draußen über der Ebene ertönte der Schrei einer jagenden Eule. Seltsamerweise schienen diese kleinen Laute die Stille nur noch zu vertiefen. Die dunklen Reihen von Bäumen entlang des Flusses verdeckten eigentlich die Sicht auf die Ebene, doch selbst mit geschlossenen Augen hätte er in die Richtung des Steinkreises deuten können.
»Chedan war vielleicht auch der Meinung, sie sollte das Kind nicht allein lassen«, sagte Damisa in die Stille hinein.
Micail hob ruckartig den Kopf; das Sonnenrad war vergessen. Aus zugeschnürter Kehle brachte er die Worte hervor: »Welches Kind?«
»Nun, ihres - das Eure, meine ich. Dessen bin ich mir ganz sicher. Domaras Haar ist genau wie das Eure! Ihr seht ihr wirklich ähnlich - ich meine, sie sieht Euch…«
»Aber Tiriki war nicht… Sie hat mir nichts davon erzählt!« Er befürchtete, sein wild klopfendes Herz könnte seinen Brustkorb sprengen.
»Sie wusste es nicht«, erklärte Damisa, plötzlich voller Mitleid. »Während der Reise hierher dachte sie, sie sei seekrank. Sie hat schrecklich gelitten. Taret war es, die es ihr sagte - die weise
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