Die Ahnen von Avalon
tatsächlich etwas Derartiges errichtet.« Er seufzte. »Ihr alle wisst, dass Klangvibrationen Materie bewegen können. An einem entsprechend gestalteten Ort werden solche Vibrationen verstärkt, und eine Gruppe ausgebildeter Sänger kann sie zu Kraftströmen bündeln, die ziemlich weit wirken.«
»Um etwas zu bewegen?«, fragte Kalaran.
»Um etwas zu zerstören?«, flüsterte Elis; sie war blass geworden.
»Micail hat mir erklärt, dass das Bauwerk als Kraftquelle für den neuen Tempel geplant war«, sagte Tiriki ruhig. »Aber wie ihr wisst, kann diese Kraft entlang des Energie-Netzwerks, das bereits die Erde durchströmt, überallhin gelenkt werden. Das Gebilde ist noch nicht fertig. Aber ich glaube, es sind schon genügend Steine an ihrem Platz, damit es eingesetzt werden kann.«
»Aber sie wissen doch nicht, wo wir sind!«, rief Selast aus.
Rendano seufzte. »Bis jetzt noch nicht. Aber Prinz Tjalan ist ziemlich stolz auf sein neues Königreich, und während wir auf eine Begegnung zwischen Tiriki und Micail gewartet haben, hat er seine hochgesteckten Ziele gewiss weiterverfolgt. So steht zum Beispiel Stathalkha in seinen Diensten, und sie hat andere Seher ausgebildet. Sie haben alle Energiepunkte in diesem Land ausgespäht…«
Elis fügte hinzu: »Auch diesen hier. Der Prinz sagte… sie wissen seit Monaten, dass wir hier sind. Bis jetzt haben sie dem nur einfach keine Bedeutung beigemessen.«
»Ihr seht also, sie brauchen keine Soldaten zu schicken«, sagte Rendano. »Sie brauchen lediglich Energie entlang der geografischen Linie zu bündeln, die das Sonnenrad mit dem Heiligen Berg verbindet.«
»Weiß Prinz Tjalan, dass das möglich ist?«
Rendano zuckte mit den Schultern. »Bis jetzt noch nicht, denke ich. Aber vermutlich wird er es bald wissen.«
Chedan schüttelte den Kopf. »Ich kann es nicht glauben. Ich habe zumindest Ardral für zu klug gehalten, als dass er zuließe…«
»Er ist ein großer Meister der Mysterien«, unterbrach Rendano ihn, »aber nur einer unter vielen - Mahadalku und Haladris sowie Ocathrel von Alkonath, ja sogar Valadur der Graue! Sie sind Tjalans beste Stützen.«
Chedans Miene wurde bei jedem der aufgezählten Namen fahler, denn er kannte die Genannten ausnahmslos. »Sie unterstützen diesen Wahnsinn?«, wiederholte er fassungslos.
»Ich wollte meinen Ohren auch kaum trauen«, antwortete Tiriki, wobei sie schnell seine Hände mit den ihren umfasste. »Doch Micail hat auch seine getreue Gefolgschaft. Jiritaren und Naranchada zum Beispiel, um nur zwei zu nennen. Anscheinend genießt er auch bei den Priesterschülern ein sehr hohes Ansehen. Dennoch - sie sind zahlenmäßig weit unterlegen. Und irgendwie beherrscht Tjalan sie alle. Aber wie kann irgendeiner von ihnen wirklich begreifen, in welche Gefahr sie sich begeben? Mit Ausnahme von Micail erkennen sie offenbar die Macht nicht, die Atlantis zerstört hat…« Tirikis Stimme versagte. »Sie haben noch nie Dyaus' schreckliches Antlitz gesehen.«
»Pst!«, sagte Chedan. Er richtete sich auf und versuchte nun seinerseits, sie zu beruhigen. Jetzt erst fiel ihr auf, dass sein Bart inzwischen vollkommen weiß geworden war, was sie ein wenig erschreckte. Tiriki legte für einen kurzen Augenblick den Kopf an seine Brust, wobei sie sich erneut über Micails Eifersucht ärgerte. Es war, als ob er sie beschuldigt hätte, mit ihrem Großvater geschlafen zu haben.
Der Magier strich ihr sanft übers Haar. »Weder Ardral noch Micail werden zulassen, dass sie ihre Kräfte auf diese Weise missbrauchen.«
»Glaubt Ihr das wirklich?« Sie richtete sich auf und wischte sich über die Augen. »Ich wünschte, ich könnte so sicher sein. Ich glaubte, Micail zu kennen - aber er hat etwas Neues an sich. Seit vier Jahren widmet er sein ganzes Leben der Errichtung dieses Steinkreises. Ich weiß nicht, ob er davon ablassen kann.«
»Wenn sie diese Stätte benutzen, um irgendwelche Kräfte gegen uns wirksam werden zu lassen - was können wir dagegen tun?«, fragte Liala.
Ihre Stimme bebte, und Mitleid ergriff Tirikis Herz. Sie ist zu alt, um einer solchen Prüfung ausgesetzt zu sein!, dachte sie. Und Chedan…
»Alyssa!«, rief Tiriki aus und war selbst über diese Antwort überrascht. »Sie hat während ihres letzten Wahnanfalls darüber gesprochen - zumindest dachte ich damals, sie sei dem Wahn verfallen«, sagte sie zögernd. »Sie murmelte etwas von einem Krieg im Himmel und einem Ring der Macht, und dann rief sie laut: ›Die Saat des
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