Die Ahnen von Avalon
Lichtes muss im Herzen des Berges gepflanzt werden.‹ So ungefähr zumindest…«
Es herrschte Schweigen, und alle starrten Tiriki an, offensichtlich auf eine weitere Ausführung wartend.
Tiriki schluckte und unternahm den Versuch einer Erklärung. »Ich glaube, sie wollte damit ausdrücken… dass wir den Omphalos-Stein benutzen müssen. Ihr selbst habt das ebenfalls so gedeutet, Chedan, bevor ich gegangen bin.«
»Stimmt«, sagte der Magier betroffen, »aber ich kann nichts anderes tun, als die Energien in ein Gleichgewicht zu bringen.«
»Nein«, widersprach Tiriki, »verzeiht, aber das ist nicht alles - es gibt da noch etwas! Aber wie das zu erreichen ist… Ich muss ausruhen«, entschied sie. »Vielleicht kommt die Lösung, wenn sich in meinem Kopf nicht mehr alles dreht.«
»Auf dieser Karte sind nicht etwa die physikalischen Gegebenheiten der Landschaft dargestellt«, sagte Stathalkha mit überheblichem Gehabe, und dabei deutete ihr von der weißen Robe bedeckter Arm auf die regenbogenfarbene Pergamentrolle, die ausgebreitet auf einem von Prinz Tjalans Tischen lag. »Sie zeigt vielmehr den Verlauf der Energieströme.« Mit einem Finger fuhr sie die verschiedenen Kraftzentren entlang. »Ihr kennt bereits diesen Hauptfluss, der auf seinem Weg von Süden nach Norden sowohl das Sonnenrad als auch Carn Ava berührt.«
Tjalan nickte eifrig. Micails Miene verriet eher zwiespältige Gefühle. Es war immer wünschenswert, über genaue Kenntnisse zu verfügen, doch der Gedanke, ein Hüter könnte seine magischen Gaben gegen einen anderen Hüter verwenden - und wenn auch nur zur Fernsicht -, erfüllte ihn mit Abscheu. Haladris war mächtig, und es gab kaum etwas, das er mit Mahadalkus und Ocathrels Beistand nicht zu tun vermocht hätte. Doch Micail erblickte in den Steinen einen weitaus tieferen Sinn.
»Dann gibt es da noch diese andere mächtige Strömung…« Die alte Priesterin fuhr eine andere Linie auf dem Pergament nach. »Sie geht von Südwesten aus, ungefähr von der Spitze Beliri'ins, und verläuft nach Nordosten, quer über die Insel.«
»Ich sehe immer noch nicht so richtig, wie uns das helfen sollte, Druck auf Chedan und Tiriki auszuüben«, sagte Tjalan mit bemerkenswerter Zurückhaltung.
Stathalkha legte den Kopf schräg und sah den Prinzen auf eine vogelhafte Weise an, dann wühlte sie in dem Haufen von Pergamentrollen und brachte eine weitere Karte zum Vorschein, auf der erstaunlich detailliert die Gegend von Azan und das Land am See dargestellt waren. »Unserer Wahrnehmung nach befinden sie sich… ungefähr hier.« Sie deutete auf einen Punkt auf der Beliri'in-Linie.
Tjalan betrachte das Pergament eingehend, dann berührte er zwei Punkte auf der Karte und fragte: »Ist das Azan? Und dieses andere das Sommerland?«
Als ihm dies bestätigt wurde, vertiefte er sich noch gründlicher in seine Überlegungen. Schließlich sah er mit einem breiten Grinsen auf. »Das hier…« - er hielt die Karte hoch - »gibt uns einen entscheidenden taktischen Vorteil!« Dann wandte er sich an Micail, wobei er ihm die Hand aufs Knie legte, und sagte ernst: »Jetzt bin ich mir sicher, dass wir diese Angelegenheit zu einem zufrieden stellenden Ende bringen können, ohne jemandem Schaden zuzufügen.«
Micail erstarrte innerlich, dennoch brachte er ein Lächeln zustande; er unterdrückte seine Wut und seine Zweifel mit dem Gedanken, dass Tiriki irgendwann einsehen müsste, dass Chedan sie vielleicht doch nicht so gut beschützen konnte - nämlich dann, wenn er es zuließ, dass Tjalan und seine Leute wenigstens so weit vordrangen, dass sie deren Macht erkannte.
Chedans Stock rutschte auf dem schlammigen Pfad weg, und Iriel griff nach seinem Arm, um ihn zu stützen. Vor ihnen stolperten Kalaran, Cadis, Arcor und Otter unter dem Gewicht der Lade, die sie schleppten. Angeschlagen und verkratzt nach der langen Reise von der Krypta von Ahtarrath bis hierher, enthielt die Holztruhe immer noch den Omphalos-Stein, wobei ihr Gewicht sich ständig zu verändern schien, so als ob die Lade selbst sich gegen die Anstrengung wehrte, eine so weite Strecke zurückzulegen.
»Ich komme gut zurecht«, murmelte der Magier, »hilf lieber den anderen, Iriel - leuchte den Weg aus.«
Er kam keineswegs gut zurecht, wie Tiriki wusste, doch keine menschliche Hand konnte seinen Geist stützen. Genau wie der Stein in der Lade hin und her rutschte, weil er sich dagegen wehrte, bewegt zu werden, so erschütterte dieselbe aufwühlende Energie
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