Die Ahnen von Avalon
Besucherinnen in die Nase. Der Lärm der schlammigen, aber viel befahrenen Straße gleich vor dem Tempel drang nur gedämpft herein.
Elara traten die Tränen in die Augen, als sie den Frieden dieses Ortes spürte. Genauso war es im Tempel der Heiler in Ahtarra gewesen.
Als sie wieder klar sehen konnte, stand die Erzpriesterin vor ihnen. Die behäbige, ein wenig fällige Frau trug ihr rotbraunes Haar zu einem Zopf geflochten und wie eine Krone aufgesteckt und verbreitete eine unaufdringliche Autorität. »Elara, Cleta, wir haben euch schon erwartet. Lodreimi hat uns viel von euch erzählt. Ist euch kalt? Kommt mit in die Küche, dort gibt es warmen Tee, und dann werde ich euch zeigen, was wir hier treiben.«
Die rechte Tür führte in einen Korridor, von dem weitere Türen abgingen. Dahinter lägen Schlafräume, erklärte Timul, teils für die Priesterinnen, teils für Frauen, die in diesem Tempel Zuflucht suchten.
»Manche haben es hier nicht leicht«, sagte die Erzpriesterin. »Bei den Stämmen werden die Frauen in der Regel geachtet, aber wenn sie in die Stadt kommen, fehlt ihnen der Schutz ihrer Sippe.«
»Ihr gebt ihnen Arzneien?«, fragte Cleta, als sie die Küche betraten.
»Wir geben ihnen, was wir haben«, antwortete Timul streng. »Essen, ein Dach über dem Kopf oder Arzneien für ihre Krankheiten, je nach Bedarf.«
»Ich sollte eigentlich die Kräuterkunde erlernen«, sagte Cleta, »aber ich hatte noch keine Gelegenheit, mit meiner Ausbildung zu beginnen.«
»Du kannst hier jederzeit anfangen.« Timul nickte zu einer Frau in safrangelbem Gewand hinüber, die vor dem Feuer hockte und in einem Kessel rührte, der über den Flammen hing. »Sadhisebo wäre über jede Hilfe froh.«
»Eine Saji?«, fragte Cleta zweifelnd. Die Frau erhob sich mit ungewöhnlich geschmeidigen Bewegungen und wollte die beiden herzlich begrüßen. Doch Elara wich zurück. Sie hatte zu viel über die Sajis gehört, die in früherer Zeit in den Tempeln des Grauen Ordens gedient hatten. Die Grauen beschäftigten sich mit dem Studium der Magie, und mit dieser Kraft ließ sich vieles bewirken, was von den Dienern des Lichtes nicht gebilligt wurde. Elara fühlte sich schon durch den Anblick der zierlichen Saji auf eine Weise beunruhigt, die sie sich nicht erklären konnte.
Timul lächelte nachsichtig. »Hast du gedacht, sie wären seelenlose Tempelhuren? Die Künste der Liebe sind nur ein Weg ins Reich der Götter. Sadhisebo und ihre Schwester Saiyano sind in der Kräuterkunde sehr bewandert.«
»Kennen sie auch die Kräuter, um ein Kind auszustoßen?«, fragte Cleta.
»Auch das, wenn es sein muss«, sagte Timul sachlich. »Ebenso wie die Kräuter, die dafür sorgen, dass das Kind den Mutterschoß nicht vor der Zeit verlässt. Wir dienen hier dem Leben, müsst ihr wissen, und um dieses höchsten Gutes willen sind hin und wieder auch harte Maßnahmen erforderlich. Bisweilen muss die Göttin töten, um zu retten.«
»Das ist mir bekannt.« Elara senkte den Kopf, und als die Saji ihnen auf einem niedrigen Tischchen Tee servierte, lächelte sie ihr verschämt zu. »Bevor ich für die Zwölf erwählt wurde, war ich Ni-Terat geweiht und diente in Ahtarra im Tempel der Blauen. Die Priesterin Liala war meine Lehrmeisterin.«
»Davon habe ich gehört, und es ist ein weiterer Grund, warum du uns hier willkommen bist. Allerdings ist dieser Tempel nicht Ni-Terat geweiht, sondern Caratra.«
Elara sah überrascht auf. »Aber… sind sie nicht ein-und dieselbe?«
»Bist du noch dasselbe Kind, das einst in jenen Tempel gebracht wurde?«, fragte Timul ruhig.
»Natürlich«, begann Elara, doch dann schüttelte sie den Kopf. »Ach so, die Antwort lautet vermutlich ja und nein. Ich erinnere mich, wie ich als Kind war, aber ich habe mich sehr verändert.«
»Und so verändert sich auch die Göttin.« Ein sanftes Lächeln erhellte die harten Züge der Erzpriesterin, als sie fortfuhr: »Nur den Männern erscheint sie stets als Ni-Terat, die Verschleierte, denn ihnen bleiben ihre Wahrheiten, so klar sie auch sein mögen, stets ein Geheimnis. Doch innerhalb des Tempels werden alle Geheimnisse offenbar, und so nennen wir sie nur Caratra, die Nährende.«
»Aber ich habe einst gelernt, Caratra sei die Tochter Ni-Terats und Manoahs«, erwiderte Cleta. »Wie kann sie da auch Mutter sein?«
Elara zog eine Augenbraue hoch. »Wie man eben Mutter wird, nehme ich an! Was glaubst du denn, wie du entstanden bist?« Sie grinste.
»Woher die Kinder kommen,
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