Die Akademie der Abenteuer - Die Knochen der Götter
gefunden.«
»Kannst du das sehen?«, fragte Morley zweifelnd.
»Nein«, antwortet Rufus und drehte das Fragment zwischen den Fingern. »Es ist nur so ein Gefühl.«
»Es ist jedenfalls nicht unmöglich«, meinte Meisterin Iggle. »Und egal, ob es so war oder auch nicht, ganz offenbar ist dies das Fragment, mit dem du arbeiten willst, Rufus Minkenbold.«
Sie zog einen braunen Hirschlederbeutel aus der Tasche. »Hier ist ein Beutel für dich.«
Sie blickte Rufus liebevoll an, dann fragte sie: »Hast du gewählt, Rufus?«
Rufus lächelte. »Ja, Meisterin Iggle.«
»Fühlst du deine Wahl als eine gute Wahl?«
Rufus ließ das Fragment in den weichen Beutel gleiten.
»Ja.«
»Dann sei es. Nimm dein Fragment und öffne ihm deinen Geist, dein Herz, dein Wissen und dein Können.«
Rufus zog an der dunklen Kordel, die seinen Beutel verschloss. Das Leder war alt und geschmeidig und das Stück Metall lag darin sicher verwahrt.
»Ja«, sagte er leise. Dann blickte er die Bisamratte an.
»Danke, Minster. Ich habe keine Ahnung, wie du das gespürt hast, aber das werde ich dir nicht vergessen.«
Er strich der Bisamratte noch einmal über den Kopf. Im selben Augenblick drehte diese sich um und lief unter den Stühlen und Bänken davon.
Meister Morley sah in die Runde und seine Miene nahm schon wieder einen grimmigen Ausdruck an.
»Die Fragmente sind verteilt. Lehrlinge und Gesellen, Meister und Meisterinnen! Kommen wir zum feierlichen Teil des Tages. Meister Spitznagel bittet uns alle in den Speisesaal. Er hat für uns ein Festmahl vorbereitet.«
Plötzlich scharrten und klapperten Dutzende Füße, die sich von Stühlen, Hockern, Bänken und Sitzen erhoben.
Rufus sah sich erstaunt um.
»Ja«, Meister Morley wandte sich ihm zu, »Meister Spitznagels Fach sind Speisen aus allen Jahrtausenden«, erklärte er ihm.
»Und man kann sagen, er hat wirklich was auf der Pfanne«, redete auf einmal Ottmar von Mittelbach dazwischen, der hinter Rufus dem Ausgang zustrebte.
Meisterin Iggle sah den Lehrling ungnädig an. »Auf der Pfanne! Mein lieber Ottmar, dürfte ich eine etwas angemessenere Wortwahl für Meister Spitznagels Künste vorschlagen?!«
Ottmar grinste und leckte sich die Lippen. »Na gut!« Er blinzelte Rufus zu. »Wenn Meister Spitznagel zum Kochlöffel greift, fühlt man sich bei Tisch, als würden einem die gebratenen Tauben direkt in den Mund fliegen!«
Neben ihm tauchte Lucy Dinknesh auf. Sie hielt Rufus’
Katzenbuch aus der Bibliothek in der Hand und reichte es ihm. »Lass das bloß nicht hier liegen, nur weil du dein erstes Fragment bekommen hast.«
Rufus wurde rot. »Danke«, murmelte er verlegen.
»Kein Ding!« Lucy lächelte schief und zog Ottmar am Arm. »Und jetzt schnell ins Schlaraffenland, bevor uns die Meister alles wegessen.«
Festmahl
Der Speisesaal der Akademie war einer der seltsamsten Orte, die Rufus je zu Gesicht bekommen hatte. So seltsam, dass selbst die Masken und die Männerhütte im Museum dagegen fast alltäglich wirkten.
Quer durch den langen Raum waren verschiedene Lager-und Essstätten aus allen Zeiten und Erdteilen verteilt. Das Herzstück aber bildete eine gewaltige offene Kochstelle. Auf einer großen Sanddüne befand sich über offenen Flammen ein schwerer, schwarz gebrannter Rost, auf dem Rufus verschiedene Fleischstücke in Töpfen, Pfannen und an Spießen brutzeln sah. Umgeben war dieser Herd von steinernen Ablageflächen, einer kleinen Quelle, die direkt aus dem Boden frisches Wasser lieferte, und einem großen Abzug in der Höhe, durch den Rauch in dichten Schwaden nach oben zog.
Vor dem Feuer hantierte ein kräftiger Mann mit einem gezwirbelten Schnurrbart mit Pfannen, glühenden Holzscheiten und einem hölzernen Löffel von den Ausmaßen einer Gartenschaufel. Ihm gingen mehrere Lehrlinge zur Hand, die, wie der Mann auch, derbe Schürzen trugen. Das Geschepper und Geklapper der Küchengeräte verbreitete einen ohrenbetäubenden Lärm, durch den der Mann mit dem Schnurrbart den Lehrlingen zusätzlich ununterbrochen Anweisungen zubrüllte.
»Das ist Meister Spitznagel«, rief Coralia, die plötzlich neben Rufus auftauchte. »Keine Angst, er kocht nicht immer an dieser Feuerstelle und er ist nicht immer so laut. Wenn unsere Eltern zum Besuchstag kommen, verschwindet er wie ein ganz gewöhnlicher Mensakoch in der ganz gewöhnlichen Großküche nebenan und macht einen ganz gewöhnlichen Mittagstisch.« Sie lachte. »Aber in Wirklichkeit ist er ein Meister der
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