Die Akte Daniel (German Edition)
einmal ausgebreitet und ihn an ebenso viele Dinge erinnert, die schon Fearmans Blick abwesend gemacht hatten. Sein schwarzer Panther hatte ihn in all den Jahren langsam und unmerklich vereinnahmt, die Leere ausgefüllt, von der Demetrius nicht einmal gewusst hatte, dass es sie in ihm gab. Und jetzt, da sie so nah zusammen waren wie nie zuvor, wurde es ihm wirklich und fast schmerzlich gewahr.
»Ich glaube, ich bin gerade dabei zu begreifen, dass ich dich liebe.« Demetrius begriff erst eine Sekunde später und mit nicht gerade wenig Schrecken, dass er das laut ausgesprochen hatte.
Fearman sah ihn überrascht an. »Das ist eine sehr plötzliche Erkenntnis«, stellte er ernsthaft fest. »Keine bloße Bedürfnisbefriedigung? Sondern Liebe, Sehnsucht, Erfüllung?«
Demetrius’ blasse Wangen röteten sich doch tatsächlich. »Dafür bist du der Experte, nicht ich.” Aus einem Reflex heraus wollte er aufstehen und dieses unerquickliche Gespräch beenden, aber Fearman umschlang ihn und warf ihn zurück aufs Bett.
»Na und?«, hielt er ihm entgegen. »Das ist keiner. Aber ich denke, es stört mich nicht im Geringsten. Was denkst du? Stört es dich?«
»Ich ... nein, es ...« Demetrius wusste nicht mehr, was er sagen sollte. Es machte ihn schwach, das war das Problem. Und genau das konnte er nicht gebrauchen. Wenn dieser wohlige Schmerz in seinem Inneren ihn in einen Menschen verwandelte, wie es die Morgendämmerung mit den Nachtlingen tat, dann war seine ganze Existenz mit einem Schlag zunichtegemacht worden aufgrund dieses einen Satzes. Alles, was er je getan hatte, lastete dann auf einem Gewissen, das er verleugnet und auf einer Seele, die er vergessen hatte.
»Was hast du?«, fragte Fearman ihn. Er schien zu riechen, was in ihm vorging. Ein Nachtling mochte keine empathischen Fähigkeiten haben, jedoch besaßen sie ein gutes Einfühlungsvermögen und eine Nase für die vielfältigen Düfte der Menschen, wenn ihre Gemütslage so schwer wie jetzt wurde.
»Nichts«, kam die automatische Antwort, aber beide wussten, dass es eine Lüge war. Demetrius konnte es sich kaum selbst eingestehen, geschweige denn jemand anderem. Es war einfach zu viel. Er schloss die Augen und verfluchte sein verräterisch schnell schlagendes Herz. »Halt mich fest«, bat er schließlich leise.
Statt einer Umarmung erhielt er jedoch einen Kuss. »Lügner!«, flüsterte Fearman. »Egal wie weit ich weg bin, ich halte dich, so lange ich atme.«
Demetrius zögerte, wusste nicht, was er erwidern sollte. Schließlich beließ er es bei einem schlichten »Danke.«
Zumindest soweit konnte er vor sich und seinem Geliebten ehrlich sein.
20
Hauptsitz der Kage no Kiseki, Whitefriars Street, London
Stanley Peter Jefferson strich mit perfekt manikürten Fingern über die Tastatur seines Computers. Es war kein einfaches Modell, sondern die neueste Technik. Der hauchdünne Monitor gab ein messerscharfes Bild wieder und zeigte in atemberaubender Geschwindigkeit die neuesten Daten. Doch nicht nur der Computer war vom Feinsten.
Stanley achtete darauf, dass er und auch dieses Büro perfekt waren – und nicht nur so wirkten. Er bevorzugte für sich Anzüge in gedeckten Farben, und obwohl er erst Mitte dreißig war, wirkte er älter und weitaus erfahrener. Der Blick seiner dunklen Augen verriet, dass er mehr gesehen hatte, als seine Jugend vermuten ließ und nicht alles davon war harmonisch und angenehm gewesen. Er war ein Telepath der Stufe 3. Das war nicht viel, eigentlich nicht einmal erwähnenswert. Trotzdem prädestinierte es ihn, ein Kind der Foundation zu sein, seit er sein sechstes Lebensjahr vollendet hatte.
Und jetzt, nach all der Zeit des geduldigen Wartens, der unbedeutenden Tätigkeiten für die Foundation , saß er hier in diesem Büro. Das Büro, das ehemals Demetrius Archer gehört hatte. Stanley drehte sich etwas im Sessel und schob den Füller, der nahe einem Stapel feinsten Briefpapiers lag, ein wenig mehr nach rechts. Eigentlich war er zu jung, um diesen Posten hier zu bekleiden. Aber es hatte nicht sehr viel Konkurrenten gegeben für einen Posten, der schon kurz nach dessen Erschaffung als Feuerstuhl galt und den nur Archer für eine sehr lange Zeit hatte halten können. Und nachdem er es geschafft hatte, sich den Vorstand wohlgesonnen gemacht zu haben, war es kein Problem mehr gewesen. Doch langsam sah man es ihm nicht mehr nach, dass er bisher keine relevanten Ergebnisse erzielt hatte. Die Jäger waren erfolglos und
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