Die Akte Daniel (German Edition)
»Ich würde vorschlagen, wir kümmern uns erst einmal um Sie. Damit erfüllen wir auch ein Versprechen, nicht wahr? Und dann versuchen wir Mr. Ghost zu finden, bevor es die Firma tut und dann werden wir auch sehen, ob er unsere Hilfe will.«
Berenice ließ den Kopf hängen. »Ich habe ihm versprochen, zuerst an meine Sicherheit zu denken.«
»Und das werden wir erst einmal in Angriff nehmen. Sie können nicht in London bleiben. Hier können wir nicht dafür sorgen, dass Sie aus den Augen und aus dem Sinn sind. Vertrauen Sie mir?«
»Ich weiß nicht. Mir bleibt ja nicht viel übrig«, gab Berenice zurück. »Aber solange Sie Jason und mir helfen können, ja.«
Miss Blackwood lächelte. Sie hob wieder den Telefonhörer ab. »Wir brauchen ein Fahrzeug. Wir haben eine Schülerin, die ein neues Zuhause braucht. Das volle Programm. Sie muss auf Sender untersucht werden.«
»Einen bin ich zumindest schon los«, erklärte Berenice. »Ob ich noch mehr habe, weiß ich nicht. Suchen Sie besser.« Sie zögerte. »Wo werden Sie mich hinbringen?«
»Wir haben mehrere Schulen auf der ganzen Welt. Wir haben auch eine, die den Bedürfnissen der Nachtlinge am nächsten kommt. Dort können sie sich frei bewegen und niemand kann sie zufälligerweise sehen, wenn sie sich verwandeln. Dort wollen wir Sie hinbringen. Aber vorher werden wir Sie wirklich untersuchen müssen. Ich fürchte, dass wir da nicht anders sind als die Firma.« Miss Blackwood wirkte, als ob sie sich nicht wirklich wohlfühlte, als sie das sagte und Berenice fühlte sich auf einmal wirklich sicher. »Ich hoffe, Sie können es uns nachsehen. Danach aber werden wir Sie nicht mehr belästigen, von gelegentlichen Schutzimpfungen vielleicht einmal abgesehen.«
»Nein, schon okay. Wenn sie mich dadurch nicht finden können, umso besser.« Berenice gefiel der Gedanke zwar nicht, wieder von fremden Leuten angefasst zu werden, aber diesmal war es notwendig allein um ihrer selbst willen. Außerdem spürte sie instinktiv, dass man ihr wirklich helfen wollte. Man ließ ihr im Grunde sogar die Wahl.
»Gut, dann werde ich Sie jetzt zu Ihrer Transportmöglichkeit bringen. Nichts Auffälliges, denke ich. Mal schauen, was sich die Leute wieder haben einfallen lassen. Aber, bevor das hier ganz untergeht: Haben Sie Hunger und Durst? Ich bin eine schlechte Gastgeberin. Ein Nachtling und ich biete Ihnen nichts an.«
»Na ja, ich ... wenn Sie irgendein Häppchen hätten?« Berenice errötete ein wenig, aber sie hatte wirklich schon wieder Hunger nach all der Anspannung.
»Aber natürlich!« Miss Blackwood verließ eilig das Büro. Dabei tat sie nichts, um Berenice daran zu hindern zu fliehen. Im Ganzen gab es hier nichts, was sie hätte aufhalten können. Es war ein merkwürdiges Gefühl, wenn Berenice die Sicherheitsvorkehrungen bedachte, die die Foundation veranstaltete, um sie zu gefangen zu halten. Beide, der Ordo und die Foundation, entführten Nachtlinge, das wusste Berenice. Aber der Ordo dachte offenbar nicht daran, dass Nachtlinge fliehen könnten und es ganz sicher auch taten, wenn sie die Möglichkeit dazu fanden.
Miss Blackwood kam wieder zurück. Sie trug ein großes Tablett, auf dem ein üppiges Frühstück angeordnet war. »Ich weiß nicht, ob Sie Tee, Kaffee oder Saft mögen. Oder auch alles«, erklärte sie. »Jedenfalls habe ich alles mitgebracht. Greifen Sie zu!«
»Ja, danke.« Berenice war begeistert, weil alles so gut duftete und sie schon nach so kurzer Zeit wieder etwas zu essen bekam. Mit gutem Appetit langte sie zu. Wenn man alle Nachtlinge hier so behandelte, war es kein Wunder, dass sie freiwillig blieben, dachte sie. Zumindest hoffte sie das. Berenice hatte in all der Zeit, die sie bei der Foundation verbracht hatte, schon fast vergessen, was es hieß, ein ganz normales Leben zu führen. Der Gedanke, zur Schule zu gehen, Freunde zu haben und einfach ... normal sein zu können, war geradezu berauschend.
Als Berenice fertig war, führte Miss Blackwood sie ins Foyer. »Das Gebiet ist sauber. Aber ich bete dennoch, dass keiner von der Firma sieht, was hier geschieht. Sie gehen jetzt vom Tower weg vorbei an der Kapelle und dort zur Straße. Da steht ein schwarzer Mini. In den steigen Sie ein. Ich wünsche Ihnen viel Glück. Ich werde an Sie denken und vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder.«
Berenice wusste nicht, was sie sagen sollte und sie hoffte, dass höflicher Dank genügte. Sie drückte Miss Blackwood die Hand. »Es war doch richtig
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