Die Akte Daniel (German Edition)
irgendwas geben, was man tun kann ...«
»Ich bin ein Dämon . Das weißt du doch. Wir altern schneller, weil wir uns verbrauchen. Niemand kann sich so schnell wie wir bewegen. Aber lass uns davon nicht mehr reden. Wir sollten zahlen und dann gehen. Ich weiß, wo der Ordo sein Quartier hat. Ich werde dich dorthin bringen.«
Berenice argumentierte nicht weiter.
Stumm aßen sie ihr Frühstück auf; danach verließen sie das Bistro und steuerten auf die nächste Underground-Station zu.
Nach mehrmaligem Umsteigen brachte sie die Circle Line direkt zum Tower. Jason hatte durch Zufall eines Tages das gut verborgene Symbol des Ordo an einem der vielen Bürokomplexe entdeckt. Nahe des Towers war ein neuer Stahl- und Glasriese entstanden, der den Ordo eigentlich mehr enthüllte als verbarg. Aber das war der Grund, warum ihn wohl hier auch niemand suchte. Die Aussicht ganz oben musste atemberaubend sein.
Doch bis zum heutigen Tage hatte Jason eines nicht getan: den Sitz des Ordo in London an die Foundation verraten. Es gab sicher mehrere in der Stadt. Aber Jason hatte schon damals daran gedacht, dass es klüger sei, nicht alles zu sagen, was er wusste. Er war Jäger, kein Agent.
Für den Unbedarften jedenfalls wirkte das Gebäude wie ein typischer Bürokomplex, wenn auch ein besonders extravaganter. Ein paar Geschäftsleute eilten hin und her, ignorierten Jason und Berenice jedoch.
»Wohin jetzt?«, wollte sie wissen.
Jason sah zum Tower hinüber. Er lag im Morgendunst und Touristen waren weit und breit noch nicht zu sehen. Die Kassen und das Souvenirgeschäft zum Tower waren noch geschlossen. Jason sah wieder zurück zum Bürohaus. Irgendwie passte es nicht hierher, genauso wenig wie das Haus mit der Kassenanlage zum Tower von London nicht hierher passte.
Jason führte Berenice vor die Tür des Quartiers des Ordo . Über ihnen hingen wie kühle Tropfen einer modernen Eishöhle Glasplatten, die merkwürdig bedrohlich, aber auch seltsam fremd wirkten. Jason deutete nach oben, hinauf zur Glasfassade. »Hier haben sie ein Büro, vermute ich«, erklärte er.
»Aber wir werden da sicher nicht einfach hineingehen können und fragen, oder?«, meinte Berenice skeptisch.
»Ich denke nicht, dass uns jemand aufhalten wird. Ich werde dich begleiten, dann werde ich gehen. Bitte, folge mir nicht, sondern geh hinein und sag ihnen, wer du bist.« Jason strich ihr über die Wange.
»Aber ... was soll ich denn alleine machen? Ich kenne hier niemanden, und du bist der Einzige, der ...« Berenice brach ab. »Wenn du das wirklich willst, okay. Aber ich will dich wieder sehen. Das musst du mir versprechen.«
Jason nickte. »Ganz sicher sehen wir uns wieder. Nun komm. Wir haben keine Zeit mehr!«
Berenice nickte und folgte ihm. Sie betraten das Gebäude und folgten den Wegweisern nach oben zu den Büros. Natürlich stand auf keinem der Wegweiser etwas von »Zweigstelle des Ordo Divinatio« , also folgten sie mehr ihrem Instinkt.
Es waren nicht sehr viele Leute da, aber fragen kam sowieso nicht infrage. Dann blieb Jason stehen. Er sah ein winziges Symbol an einer der Türen. Es ging unter im ganzen Brimborium darum. Das Büro dahinter gehörte zu einer Stiftung, die sich der Jugendförderung verschrieben zu haben schien. »Hier ist es«, murmelte Jason.
Berenice sah ihn an. »Soll ich da wirklich alleine reingehen?«, fragte sie unsicher.
Jason nickte. »Ja, bitte tu es! Ich habe dir versprochen, dass wir uns wieder sehen. Nun versprich mir, dass du hier Schutz suchst.«
Berenice hatte kein gutes Gefühl und ihr widerstrebte es ganz offensichtlich, Jason gehen zu sehen, aber sie hatten nicht viele Möglichkeiten und das hier war ihre Chance. Und damit vielleicht auch die von Jason, so hoffte sie heimlich. »Mache ich. Ich will dir keine Sorgen machen, vermutlich hast du erst mal genug mit dir selbst zu tun.« Sie schluckte, dann warf sie sich Jason an den Hals. »Danke«, flüsterte sie. »Danke für alles. Ich wusste immer, du würdest mich retten.«
Jason wurde es schwer ums Herz. Er war es gewesen, der Berenice alles gestohlen hatte. Das hier war nur eine geringe, geradezu erbärmliche Wiedergutmachung. Der Dank machte es ihm nur noch schwerer. Er drückte sie von sich und nickte ihr zu. Es kostete ihn viel Kraft, sich einfach abzuwenden und dann zu gehen.
Erst als er um die Ecke des Flurs gebogen war und Berenices Blicke nicht mehr im Nacken spüren konnte, atmete er auf. Trotzdem tat es weh.
Berenice nahm ihren ganzen Mut
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