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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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jüngere Konkurrenz nicht zu fürchten. Dein Haar ist kräftig, der Busen voll und nicht so mickrig wie bei den meisten jungen Dingern, die Taille misst sechzig, verdammt, was will der Kerl mehr?
    Francesca ließ sich ein Bad ein, und während sie dem Rauschen des Wassers lauschte und ihre Glieder in dem wohlig warmen Wasser streckte, fasste sie einen Entschluss: Sie wollte es wissen, sie wollte einen Mann aufreißen, wie man so etwas zu nennen pflegt, wenn es denn sein sollte nur für eine Nacht, man würde ja sehen. Auf diese Art könnte sie sich an Gropius rächen. Diesmal würde sie es sein, die die Bedingungen diktierte. Der Gedanke erregte sie.
    Sie musste in der Wanne eingeschlafen sein, denn als sie nach ausschweifenden Gedanken wieder zu sich kam, war das Wasser kalt, und sie fröstelte. Mit dem Handtuch, in das ein Wagner-Portrait eingewebt war, frottierte sie ihren Körper, bis die Haut rötlich schimmerte, sie föhnte ihr Haar und legte Make-up auf, Lidschatten und Lippenstift, alles etwas kräftiger als gewöhnlich. Vor dem Schrankspiegel streifte sie schwarze halterlose Strümpfe über und schlüpfte in einen engen schwarzen Rock, dann zwängte sie sich ohne alles in jene grüne Velourslederjacke, die, sie erinnerte sich gut, Gropius in Turin um den Verstand gebracht hatte. Ihre hochhackigen Pumps schienen für dieses Outfit gerade angemessen.
    Gegen Abend erkundigte sie sich beim Portier, der wie das Hotel seine beste Zeit bereits hinter sich hatte, wo eine Frau alleine hingehen könne, und sie erhielt die Auskunft – die sich nebenbei als richtig erweisen sollte –, in der Bar des ›Bayerischen Hofs‹ habe sie nichts zu befürchten.
    Gesagt, getan – kurz nach 21 Uhr betrat Francesca das genannte Etablissement, im Tiefparterre gelegen, mit kleinen Vierertischen und einer Tanzfläche ausgestattet. Die Musik war dezent. Francesca nahm auf einem Barhocker am Tresen Platz, bestellte ›Martini‹, geschüttelt, nicht gerührt, wie sie es aus James-Bond-Filmen kannte, und hielt scheinbar gelangweilt nach einem möglichen Opfer Ausschau.
    Noch herrschte wenig Betrieb im Lokal. Ein einziges, einsames Paar tanzte hingebungsvoll und eng umschlungen, ohne auf die Musik zu achten. Mehr als fünf Tische waren nicht besetzt, und der Barmann war froh, wenigstens einen Gast zu haben, mit dem er sich unterhalten konnte. Als nach einer halben Stunde alle Gesprächsthemen, die sich an einem Bartresen ergeben, als da sind Wetter, Geschäft, Fußball und Automobile, abgearbeitet waren und sich kein weiterer Gesprächsteilnehmer einstellen wollte, beglich Francesca ihre Rechnung und machte Anstalten zu gehen. Da trat ein Mann mittleren Alters auf sie zu, der bisher allein in einer Ecke vor sich hingebrütet hatte. Er war klein, hatte lange dunkle Haare und wirkte blass, was durch den schwarzen Anzug, den er trug, noch unterstrichen wurde.
    »Sie wollen schon gehen?«, fragte er mit auffallend dunkler Stimme und in englischer Sprache, aber mit hartem Akzent, der verriet, dass er kein Engländer war.
    »Nicht viel los hier«, erwiderte Francesca, »vielleicht komme ich später noch einmal vorbei.«
    Der Mann im dunklen Anzug versuchte sich in ausgesuchter Höflichkeit. Mit einer einladenden Handbewegung meinte er: »Hätte man jemals tanzen gelernt, wäre es uns ein außerordentliches Vergnügen, Sie jetzt aufzufordern. So kann man darüber nur sein Bedauern ausdrücken. Mein Name ist Ramón.«
    Francesca musste lachen. Seine Art sich auszudrücken wirkte umständlich und hölzern. »Sind Sie Spanier?«, fragte sie.
    »No. Katalane. Das ist ein Unterschied!«, antwortete Ramón. »Und Sie?«
    »Italienerin.«
    »Milano?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »In Milano findet man die schönsten Italienerinnen. Sie vereinen in sich den Charme des Südens und die Eleganz des Nordens. So wie Sie, Señorita!« Dabei starrte er ihr unentwegt auf den Busen.
    »Ich komme aus Torino«, erwiderte Francesca lachend, »weder Charme noch Eleganz sind dort zu Hause. Leider spreche ich nicht Spanisch. Kaum ein Italiener spricht Ihre Sprache.«
    »Wir wissen, es gibt auch nur wenige Spanier mit Italienischkenntnissen.«
    Ohne es zu merken, wechselten Francesca und der Spanier bei ihrer Unterhaltung plötzlich ins Deutsche.
    »Darf man Sie zu einem Glas Champagner einladen?«, fragte Ramón höflich. Nun war der Spanier nicht gerade der Typ, von dem sich eine Frau nichts sehnlicher wünschte, als dass er ihr den Hof machte, aber er gab

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