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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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sich freundlich und zuvorkommend, und Francesca sah keinen Grund, die Einladung auszuschlagen.
    »Ich heiße Francesca«, sagte Francesca, als sie sich zuprosteten.
    »Wir wissen«, bemerkte Ramón mit einem gekünstelten Augenzwinkern.
    Weder die Antwort noch das Augenzwinkern des Spaniers vermochte Francesca zu deuten, aber sie zog es vor, darüber hinwegzusehen.
    Allmählich füllte sich die Bar mit Gästen, doch so sehr sie auch Ausschau hielt nach dem einsamen Wolf, dem sie geneigt war sich hinzugeben, so sehr wurde sie enttäuscht. Sie sah nur Pärchen oder einsame Damen, die wie sie auf den Märchenprinz warteten.
    Zu ihren ungewöhnlichen Vorzügen gehörte es, dass Francesca große Mengen Alkohol vertrug, ohne betrunken zu werden. Ramón jedoch begann, nachdem im Lauf einer belanglosen Unterhaltung ein Glas dem anderen folgte, sie mit anzüglichen Komplimenten zu überhäufen. Sie sei, flüsterte er mit verklärtem Blick wie ein Säulenheiliger, sündhaft wie Maria Magdalena und schön wie die Madonna von Raffael und für sie, meinte er, würde er jede Sünde begehen.
    Francesca hasste platte Redensarten, und deshalb hasste sie Ramón, der sie mit den Augen verschlang, ohne sich ihr jedoch auch nur einen Zentimeter zu nähern. Sie wurde wütend, und in ihrer Wut auf den verklemmten, lüsternen Spanier sagte sie: »Ramón, Sie reden, als wären Sie ein Priester!«
    Wie ein beim Naschen ertapptes Kind senkte Ramón den Blick, und mit zur Seite gewandtem Kopf und schwerer Zunge sagte er: »Ganz recht, ich bin Priester.«
    »Sie sind …?« Verunsichert blickte Francesca nach beiden Seiten. Dann musterte sie Ramón kritisch.
    Die blasse Haut, der schwarze Anzug und der salbungsvolle Tonfall seiner Stimme – kein Zweifel, sie hätte es gleich bemerken müssen.
    »An jeden tritt einmal die Versuchung heran. Auch an einen Gesalbten.« Dabei faltete er die Hände, und Francesca hatte schon die Befürchtung, er würde laut hörbar ein unflätiges Gebet zum Himmel schicken, der Allerhöchste möge ihn aus den Klauen eines sündhaften Weibes befreien, aber es kam ganz anders.
    »Mein Mädchen«, nuschelte er schwer atmend, »was hast du mit diesem Gropius zu schaffen? Das ist kein Umgang für dich. Sag uns, was will er von dir?«
    »Gropius?« Francesca war völlig verwirrt. »Sagten Sie Gropius?«
    Ramón presste die Hand vor den Mund, als wollte er verhindern, dass er noch mehr preisgab. Doch die Wirkung des Alkohols war stärker. »Wir sind schon lange hinter ihm her«, sagte er sichtlich bemüht, einen nüchternen Eindruck zu machen.
    »Aber was wollen Sie von Gropius? Was hat er Ihnen getan?«
    »Das sollst du erfahren, schönes Mädchen. Gropius hat etwas in seinem Besitz, das ihm nicht zusteht. Sie wissen das. Er spielt mit dem Feuer, dieser Professor Gropius! Und was dich betrifft, Mädchen: Wo ist der Stoff?«
    In Sekunden schossen tausend Gedanken durch Francescas Kopf. Welcher Stoff? – Redete er von Drogen? Offensichtlich wusste der betrunkene, verklemmte Kerl, der ihr gegenübersaß und mit schweren Lidern zwischen ihre Brüste starrte, von den mysteriösen Vorfällen, denen Gropius auf der Spur war. Hatte er möglicherweise sogar etwas mit dem Mord an Constantino zu tun? Mit einer Mischung aus Entsetzen und Abscheu sah Francesca den betrunkenen Kerl an, der ihr gegenübersaß und sich an ihren Brüsten aufgeilte.
    Du musst einen kühlen Kopf bewahren, sagte sie sich, während sie Ramón zulächelte. Das war die Chance, Gropius für sich zu gewinnen. Sie musste diesen rätselhaften Pfaffen, so er denn wirklich einer war, ausquetschen. Unter Einsatz aller Möglichkeiten, die einer Frau zur Verfügung stehen, musste sie in Erfahrung bringen, für wen Ramón arbeitete und wonach er suchte. Die Gelegenheit war günstig, und vermutlich würde sie sich nicht wiederholen.
    Während Ramón ein weiteres Glas Champagner in sich hineinkippte, beugte sich Francesca zu ihm hinüber in der Absicht, dem geilen Priester einen tiefen Einblick in ihr Dekolleté zu gewähren. Und dabei fragte sie ganz unverblümt: »Wohnen Sie hier im Hotel?«
    »Warum fragen Sie?«, erwiderte Ramón, als hätte er nicht begriffen, was Francesca im Schilde führte.
    »Nur so. Wir könnten es uns doch etwas bequem machen. Ich meine – nicht dass Sie mich missverstehen, es ist ziemlich verraucht hier, und die Musik könnte dezenter sein.«
    »Zweihunderteinunddreißig«, nuschelte ihr Gegenüber, »Zimmer

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