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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Gefallen …«
    An der Sache war irgendetwas faul. Nach der Rückkehr in sein Hotel hatte sich Gropius noch einmal auf sein Bett gelegt und den entgangenen Schlaf nachgeholt. Er erwachte mit ausgedörrter Kehle und der Erkenntnis, dass Contenau ein Interesse haben musste, Sheba von ihm fern zu halten. Gegen den Durst holte er sich aus dem Restaurant eine Flasche ›Eden‹, ein schales Mineralwasser ohne Kohlensäure, das er eher widerwillig in sich hineinkippte.
    Beersheba, eine Stadt mit hunderttausend Einwohnern aus aller Herren Länder, wirkt auf den Fremden nicht gerade einladend. Die Altstadt im Süden gleicht stellenweise einer Goldgräberstadt, wie man sie aus alten Western kennt. Im Übrigen war Gropius jedoch viel zu sehr mit seinen Problemen beschäftigt, als dass er eine Stadtbesichtigung in Erwägung gezogen hätte. Viel mehr interessierte ihn die Frage, wie er Sheba finden konnte. Aufgeben kam für ihn nicht in Frage.
    In Vladimir, dem Theaterdirektor aus Sewastopol, hatte Gropius einen Verbündeten gefunden. Er hatte den alten Mann zu Tränen gerührt, als er ein paar Zeilen aus einem Faustmonolog in Goethes Sprache rezitierte:
    »Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick.
Im Tale grünet Hoffnungsglück.
Der alte Winter in seiner Schwäche
Zog sich in raue Berge zurück.«
    Übrigens der einzige Monolog, der ihm aus der Schulzeit im Gedächtnis geblieben war.
    Gropius bat Vladimir um Hilfe bei der Suche nach Sheba Yadin, einer jungen Archäologin aus Tel Aviv, und Vladimir gab sich zuversichtlich, sie zu finden, er kenne viele Leute in Beersheba. Doch schon am folgenden Tag sank Gropius' Hoffnung, weil Vladimir nach umfangreichen Recherchen zu der Erkenntnis gelangte, eine Archäologin dieses Namens habe nie in Tell Be'er Sheva gegraben.
    Ebenso rat- wie lustlos aß Gropius in einem Lokal am Ende der Straße, an der sich sein Hotel befand, zu Abend, als ein Mann auf ihn zutrat. Er erkannte ihn sofort wieder, auch wenn er diesmal ganz anders, modern gekleidet war. Es war Yussuf, der Wächter aus Tell Be'er Sheva. Höflich fragte er, ob er sich zu ihm setzen dürfe, und Gropius bot ihm einen Stuhl an.
    Ungewöhnlich lange saßen sich beide schweigend gegenüber. Nur ab und an sah Yussuf Gropius freundlich an, und wenn sich ihre Blicke begegneten, nickte der Palästinenser mit dem Kopf. Der Vorgang wiederholte sich mehrmals, bis Yussuf die Sprache wiederfand und sagte: »Kühl, heute Abend, finden Sie nicht?«
    »Oh ja, aber ganz angenehm«, erwiderte Gropius.
    Dann trat erneut langes Schweigen ein, während dessen der Alte Pistazienkerne aus der Tasche zog und zwischen den Zähnen zermalmte.
    Gropius wusste nicht, woran er war, ob das Treffen auf einem Zufall beruhte, oder ob ihm der Palästinenser etwas mitzuteilen hatte. Beinahe als Erlösung empfand er es, als Yussuf plötzlich die Frage stellte: »Was wollten Sie von Miss Yadin?«
    »Sie kennen sie?«, fragte Gropius aufgeregt.
    Der Palästinenser verzog das Gesicht, ohne zu antworten.
    »Ich muss sie sprechen«, begann Gropius, »Sheba Yadin war mit Arno Schlesinger befreundet, einem deutschen Archäologen, der leider gestorben ist. Ich bin ein Freund der Familie und möchte einiges in Erfahrung bringen, was nur Miss Yadin wissen kann.«
    »Oh ja, Mr. Schlesinger«, bemerkte Yussuf mit einem Seufzer, und dabei nickte er mit dem Kopf.
    Allmählich gewann Gropius den Eindruck, dass das Zusammentreffen kaum auf einem Zufall beruhte, dass der Alte vielmehr auf Geld aus war und sich seine Informationen bezahlen lassen wollte. Aus der Innentasche seines Jacketts zog er zwei lilafarbene 50-Schekel-Scheine hervor und schob sie diskret unter der Hand über den Tisch.
    Von oben herab, beide Hände auf einen Spazierstock gestützt, betrachtete der Palästinenser das Geld beinahe angewidert, und als hätte er einen bitteren Kern erwischt, spukte er eine Pistazie kraftvoll auf den Boden. Dabei drehte er sich zur Seite und wandte Gropius die Schulter zu.
    »Also gut, wie viel wollen Sie?« Nur mit Mühe konnte Gropius seine Aufregung verbergen.
    Den Blick auf die gegenüberliegende Straßenseite gerichtet und mit der Gelassenheit eines Patriarchen antwortete der Palästinenser: »Zehntausend.«
    »Zehntausend Schekel?« Gropius rechnete nach. Das waren dreitausend Euro, eine Wahnsinnssumme für einen Mann wie Yussuf. »Und was bekomme ich für diese Summe?«, fragte er.
    Da beugte sich der Palästinenser über den

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