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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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es nicht«, antwortete er wahrheitsgemäß, um Francesca durch sein Stummbleiben nicht zu verletzen, »ich brauche ein paar Tage Zeit.«
    Unter den wirren Gedanken, die sein Gehirn durchfuhren wie ein Meteoritenregen, warf einer mehr Fragen auf als der andere. Vor allem beschäftigte Gropius das Problem, warum Schlesinger, für den die DNA-Analysen ja ursprünglich bestimmt waren, so großen Wert darauf legte. Schließlich hatte er bereits genügend Material in Händen gehabt, um irgendwelchen Leuten zehn Millionen abzupressen. Wozu also weitere Analysen? Ob Schlesinger geblufft, ob Schlesinger nur eine Ahnung hatte, dass sich der Nachweis für die Identität des Jesus von Nazareth erbringen ließe? Vielleicht hatten Schlesinger und de Luca gemeinsame Sache gemacht, und alles war nur ein raffiniert angelegtes Komplott? Vielleicht hatte Schlesinger irgendwelche Knochen in den Steintrog gelegt, und de Luca hatte eine falsche DNA erstellt?
    Als hätte Francesca die Fähigkeit, Gedanken zu lesen, meinte sie plötzlich: »Dich quält die Vorstellung, du könntest zwei hinterlistigen Gaunern namens Schlesinger und de Luca auf den Leim gegangen sein. Stimmt's?«
    »Stimmt«, erwiderte Gropius, »wie kommst du darauf?«
    »Das war auch mein erster Gedanke!«
    »Und was spricht dagegen?« Gropius sah Francesca erwartungsvoll an.
    »Schlesinger und de Luca waren beide anerkannte Wissenschaftler, jeder auf seinem Gebiet. Warum sollten sie sich auf krumme Sachen einlassen, die – falls sie aufgedeckt worden wären – das Ende ihrer Karriere bedeutet hätten? Nein, ich glaube, jeder der beiden hatte einen Beweis für den Tod des Jesus von Nazareth. Beides zusammen ergab eine schlüssige Synthese, und deshalb mussten beide sterben.«
    Gropius folgte Francescas Worten mit kritischem Blick. Die Ellenbogen auf die Knie gestützt, dachte er nach. Schließlich antwortete er: »In letzter Konsequenz würde das bedeuten, dass ich der Nächste bin.«
    Etwa zur selben Zeit verließ Sheba Yadin das Hotel ›Diplomatic‹ und begab sich zu dem Café am Corso Belgio, um sich, wie vereinbart, mit Signora Selvini zu treffen. Aber die Signora kam nicht. Nach einer guten halben Stunde und zwei Caffè latte überkam sie das ungute Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. Signora Selvini, mit der sie sich am Vortag getroffen hatte, hatte bei ihr einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Ihr war aufgefallen, dass die Signora ziemlich nervös war, jedenfalls aufgeregter als sie selbst, doch sie hatte das auf die respektable Geldsumme geschoben, um die es bei dem Treffen ging.
    Also suchte Sheba das Institut von Professore de Luca auf. Es war noch Tag, aber in einem Raum im ersten Stock brannte grelles Licht. Das Gartentor am Eingang stand offen, und nachdem sich auf ihr Klingelzeichen niemand meldete, betrat Sheba das Grundstück und ging auf den Eingang zu. An der verschlossenen Haustür machte sie sich durch Rufen und Klopfen bemerkbar. Von einer bösen Ahnung getrieben, schlich Sheba um das Haus. Es war still. Nur Vogelgezwitscher schallte aus der großen Pinie im Park. Sheba hoffte durch eines der dreiflügeligen Fenster im Erdgeschoss einen Blick in das Innere des Gebäudes werfen zu können; doch die Scheiben waren aus Milchglas, das jede Durchsicht verhinderte.
    An der Rückseite des Hauses stieß Sheba auf einen zweiten Eingang, der in früheren Zeiten dem Personal gedient hatte. Die Tür stand offen, und Sheba wollte umkehren. Die Sache war ihr nicht geheuer. Trotzdem näherte sich Sheba dem Eingang, aus dem ihr kühle Luft entgegenschlug.
    »Ist da jemand?«, rief sie in englischer Sprache.
    Keine Antwort.
    Der düstere Korridor war mit violett-weißen Kacheln gefliest und strahlte den morbiden Charme der vorletzten Jahrhundertwende aus. An den Wänden hingen Piranesi-Stiche mit alten Stadtansichten. Es roch muffig. Der Gang führte zu einer zweiflügeligen Holztür mit geschliffenen Glasscheiben, durch die man verzerrt in einen Salon mit altem Mobiliar blicken konnte.
    Sheba klopfte an und stieß die Tür auf. »Ist da jemand?«, wiederholte sie lautstark ihre Frage. Eine Standuhr, gewiss drei Meter hoch und mit einem wuchtigen Messingpendel versehen, tickte ihren gnadenlosen Takt. Rechter Hand führte eine Holztreppe mit einem Geländer aus wuchtigen, gedrehten Säulen zum Obergeschoss. Die abgetretenen Bohlen gaben knarrende Geräusche von sich, als Sheba nach oben stieg. Es war das letzte Geräusch, das Sheba Yadin bewusst

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