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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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ins Auge. Gropius hatte von christlicher Seefahrt keine Ahnung, aber dieses Schiff war von gewaltigem Ausmaß und älter als alle anderen Boote im Hafen. Zudem vermittelte es den Eindruck, als hielten sich weder Passagiere noch Mannschaft darauf auf. Nur zwei bewaffnete Aufpasser bewachten die Gangway.
    Das schneeweiße Schiff war gewiss fünfzig Jahre alt und aus Holz gebaut, machte aber einen durchaus gepflegten Eindruck. Im Näherkommen sahen sie einen Kleinlastwagen mit der Aufschrift ›Verduras – Hernán Jiménez‹, aus dem Obst und Gemüsekisten ausgeladen und auf das Schiff gebracht wurden.
    Sie wollten gerade kehrtmachen und den Rückweg einschlagen, als Gropius innehielt. Am Bug des Schiffes prangte ein seltsamer Name: ›IN NOMINE DOMINI‹.
    »Lateinisch!«, murmelte Gregor und sah Francesca wie geistesabwesend an. »Das bedeutet: Im Namen des Herrn.«
    »Ungewöhnlich«, bemerkte Francesca. »Sogar im ultra-katholischen Italien heißen Schiffe ›Leonardo da Vinci‹ oder ›Michelangelo‹ oder ›Andrea Doria‹ und wenn es sein muss auch ›Santa Lucia‹ oder ›Santa Maria‹. Wirklich sehr ungewöhnlich.«
    Gropius wandte den Blick wieder dem Schiff zu und sagte: »Die Anfangsbuchstaben der drei Wörter!«
    »IND«, murmelte Francesca tonlos.
    »IND«, wiederholte Gregor ungläubig. Er war gerade dabei aufzugeben, die gottverdammte Suche nach dem Geheimnisvollen, Unbekannten, Unlösbaren einzustellen, da tauchte unvermutet der erste Hinweis auf die Hintermänner des Geschehens auf.
    IND – im Namen des Herrn, das klang, wenn er das Geschehen der letzten Monate Revue passieren ließ, wie eine finstere Drohung. Aber was waren das für Leute, die sich ›im Namen des Herrn‹ zu solchen Taten hinreißen ließen? Mehr noch, sie inszenierten?
    »Komm!« Gregor nahm Francesca an der Hand und ging mit ihr geradewegs auf die heruntergelassene Gangway zu. Aber noch bevor sie dort angelangten, traten ihnen die beiden schwarz gekleideten Wachposten mit verschränkten Armen entgegen. Jeder trug einen Revolver im Halfter, einen Gummiknüppel und, deutlich sichtbar, einen Elektroschocker, der jeden Angreifer mit zehntausend Volt kampfunfähig machte.
    »Schönes Schiff!«, versuchte Gropius mit den Wachposten ins Gespräch zu kommen, aber der eine machte nur eine abwehrende Handbewegung und rief auf Englisch: »Haut ab!«
    »Schon gut!«, erwiderte Gropius und zog Francesca mit sich fort. »Mit denen sollten wir uns besser nicht anlegen.«
    Inzwischen war der Gemüselastwagen entladen, und der Fahrer steuerte den Truck mit aufheulendem Motor über die Mole.
    »Augenblick!«, sagte Gropius, er zog sein Notizbuch aus der Tasche und notierte die Reklameschrift auf dem Lastwagen: ›Verduras – Hernán Jiménez‹.
    Francesca sah Gregor fragend an.
    »Ich glaube«, meinte Gropius, »dieser Señor Jiménez kann uns mehr über dieses geheimnisvolle Schiff erzählen.«
    »Was willst du tun?«
    »Jiménez aufsuchen.«
    »Aber du kennst nicht einmal seine Adresse!«
    »Wozu gibt es Telefonbücher! Außerdem kann mir Maria-Elena behilflich sein.«
    »Maria-Elena?«
    »Eine Fremdenführerin, die mir schon gestern bei der Suche nach Rodriguez geholfen hat.«
    Maria-Elena Rivas entdeckte den Gemüsehändler im Ribera-Viertel, einem Stadtteil mit unzähligen kleinen Geschäften, gesperrt für Autos und nicht weit vom Hafen entfernt. Um größeres Aufsehen zu vermeiden, hielt es Gropius für besser, Francesca im Hotel zurückzulassen und Jiménez nur mit Maria-Elena als Dolmetscherin aufzusuchen.
    Hernán war ein kleiner, freundlicher Mann mit dunklem Kraushaar, aber als er hörte, dass der Alemán sich nach dem Eigner der ›In Nomine Domini‹ erkundigte, wurde sein Gesicht ernst, er blickte abweisend und fragte: »Sind Sie von der Polizei?«
    »Nein, wie kommen Sie darauf?«, erwiderte Gropius. »Ich suche nur nach einem guten Bekannten namens Rodriguez. Ich vermute, dass er sich auf dem Schiff aufhält.«
    »Warum gehen Sie nicht hin und fragen?«
    »Die Leute sind nicht sehr auskunftsfreudig.«
    Da lachte Jiménez und meinte: »Da haben Sie nicht ganz Unrecht, Señor. Die sind alle etwas merkwürdig, tragen weiße Kleidung und ernähren sich streng vegetarisch, wogegen ich nichts einzuwenden habe. Das werden Sie verstehen. Was mir weniger gefällt, ist die Tatsache, dass sie alle etwas andersherum sind – Sie verstehen schon. Man bekommt nur selten jemanden zu Gesicht. Aber einmal traf ich unter Deck auf eine

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