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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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furchterregende Gestalt, einen Mann so groß wie ein Kleiderschrank, mit einem entstellten Gesicht. Als er mich sah, drehte er sich um und verschwand in einer der zahllosen Kabinentüren.«
    »Wie viele Menschen sind an Bord der ›In Nomine Domini?‹«
    »Schwer zu sagen. Nach meinen Lieferungen zu schließen hundert bis hundertfünfzig.«
    »Und warum fragten Sie, ob ich von der Polizei bin, Señor Jiménez?«
    »Warum?« Der Gemüsehändler hob die Schultern. »Irgendetwas stimmt mit diesen Leuten nicht. Sie dulden keine Frauen, keine Fragen und haben keine Namen, nur Geld, Geld haben sie genug. Jede Lieferung wird bar bezahlt. Und nach zwei oder drei Tagen Liegezeit im Hafen verschwindet das Schiff wieder für zwei bis drei Wochen.«
    »Aber Sie haben sich doch Gedanken gemacht, an wen Sie Ihr Gemüse verkaufen?«
    »Ach was«, entgegnete Jiménez verärgert. »Ich frage meine Kunden hier im Laden auch nicht nach ihrem Beruf oder ihrer Konfession, wenn sie ein Kilo Tomaten kaufen. Aber ich glaube, es handelt sich um eine Sekte. Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich muss am Abend noch eine zweite Lieferung an Bord bringen. Morgen Früh soll das Schiff auslaufen.« Eilends verschwand er in der rückwärtig gelegenen Lagerhalle.
    Das Schiff und seine Passagiere übten auf Gropius eine magische Anziehungskraft aus. Eine innere Stimme drängte ihn, die ›In Nomine Domini‹ unter die Lupe zu nehmen. Aber wie?
    Sie gingen bereits die Straße Sombrerers entlang, um an der Via Laie tana ein Taxi zu besteigen, als Gropius plötzlich einen Einfall hatte und der Dolmetscherin klar machte, sie müssten noch einmal zu Jiménez zurückkehren.
    Der Gemüsehändler zeigte sich nicht einmal verwundert, als Gropius und Maria-Elena erneut erschienen, und hörte sich Gregors Ansinnen gelassen an. »So, so«, sagte er, »Sie wollen mir beim Abladen helfen, gar keine schlechte Idee. Ich fürchte nur, die Wachen werden misstrauisch, wenn Sie in Ihrer feinen Aufmachung daherkommen.«
    »Selbstverständlich werde ich meine Kleidung der Aufgabe anpassen«, sagte Gropius. »Wann soll es losgehen?«
    »Um 17 Uhr sollten Sie hier sein«, meinte Jiménez, dem die Sache sogar Freude zu bereiten schien, »aber es wäre besser, wenn Sie allein kämen.«
    Es war nicht einfach, Francesca davon zu überzeugen, dass sie besser im Hotel blieb. Nach allem, was sie mit Rodriguez erlebt hatte, ängstigte sie sich und wollte Gregor nicht allein gehen lassen. Schließlich sah sie ein, dass sie zu zweit kaum eine Möglichkeit hatten, auf das Schiff zu gelangen, und dass das Risiko, entdeckt zu werden, weit höher war.
    Hernán Jiménez hätte Gropius beinahe nicht wiedererkannt, als dieser kurz vor 17 Uhr in der Lagerhalle erschien. Gregor trug blaue Arbeitshosen und eine abgewetzte weite Jacke, die er auf dem Flohmarkt ›Eis Encants Nous‹ an der Placa de les Glòries erstanden hatte. Nur sein gutes Schuhwerk wollte nicht so recht zum heruntergekommenen Outfit passen.
    Eine Stunde später näherte sich der Lastwagen mit der Aufschrift ›Verduras‹ der Mole, und im Schritttempo fuhr er auf die in letzter Reihe ankernde ›In Nomine Domini‹ zu. Anders als am Vormittag, als auf dem Schiff kaum eine Menschenseele auszumachen gewesen war, herrschte nun an Deck geschäftiges Treiben, und neben Jiménez brachten noch drei andere Lieferanten ihre Waren an Deck.
    Gropius schätzte die Länge des Schiffes auf gut fünfzig Meter. Außer dem Oberdeck gab es zwei Unterdecks mit kleinen runden Bullaugen, von denen etwa die Hälfte mit undurchsichtigem Glas versehen oder mit weißer Farbe überstrichen war. Gregor fielen vor allem die Antennenbündel und Satellitenschüsseln über der Kommandobrücke auf. Sie bildeten einen deutlichen Kontrast zum altehrwürdigen Erscheinungsbild des Schiffes.
    Die Gangway wurde scharf bewacht, und als Gropius die erste Kiste mit Gurken an Bord tragen wollte, wurden er und die Ware einer eingehenden Prüfung unterzogen. Auch Jiménez, der den Wachposten bekannt war, durfte erst nach einer Leibesvisitation passieren.
    Die Ladeluke im Bauch des Schiffes war eng, und dahinter tat sich eine düstere Plattform auf, von der links und rechts zwei enge Gänge in Richtung Bug und Heck führten. »Mysterious« – geheimnisvoll, meinte Jiménez, der eine Sackkarre mit drei übereinander gestapelten Gemüsekisten vor sich herschob. Gropius folgte ihm mit einer Kiste auf der linken Schulter, so wie er es bei anderen Hafenarbeitern gesehen

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