Die Akte Golgatha
entschuldigen«, sagte der Unbekannte mit einer höflichen Verbeugung, und noch ehe der Professor fragen konnte, was der Fremde denn wolle, fuhr dieser fort: »Ich würde Sie gerne sprechen. Es geht um Ihre Exfrau und um das Bombenattentat. Ich habe darüber in der Zeitung gelesen.«
»Schickt Sie Veronique?«, erkundigte sich Gropius abweisend.
»Oh nein, ganz im Gegenteil!«, wehrte der fremde Mann ab. »Ihre Frau wird mich verfluchen, wenn Sie davon erfährt, nein, ich komme aus freien Stücken und weil es mir ein Bedürfnis ist.«
Gropius musterte den Mann von oben bis unten und meinte schließlich: »Nun gut, kommen Sie herein. Ich hoffe nur, Sie wollen mir nicht meine Zeit stehlen.«
Nachdem sie im Salon Platz genommen hatten, begann Lewezow zu erzählen, das heißt, eigentlich fiel er mit der Tür ins Haus, als er sagte: »Die Fotos, die Sie mit Frau Schlesinger zeigen, stammen von mir. Aber bevor Sie jetzt auf mich losgehen, bitte ich Sie dringend, mich weiter anzuhören. Ich bin Privatdetektiv, ich lebe davon, dass ich andere Menschen ausspioniere, ich werde dafür bezahlt, dass ich Menschen Informationen verschaffe, die manchmal viel Geld wert sind. Es gibt anständigere Berufe, ich weiß, aber wie sagte der römische Kaiser Vespasian zu seinem Sohn Titus, der die Latrinensteuer seines Vaters kritisierte? – Geld stinkt nicht. Jedenfalls rief mich Ihre Exfrau vor kurzem an und beauftragte mich, Sie zu beschatten. Ich sollte ihr Material beschaffen, mit dem sie Sie erpressen konnte. Sie glaubt, Sie hätten Schlesingers Tod absichtlich herbeigeführt, weil Sie mit seiner Frau ein Verhältnis haben.«
»Und was hat Sie vom Gegenteil überzeugt, Herr …«
»Lewezow. – Nichts. Aber als ich von dem Bombenattentat hörte, drängte sich mir der Verdacht auf, Ihre Exfrau könnte dahinter stecken.«
»Das würden Sie Veronique zutrauen?«
Lewezow rieb sich verlegen die Hände. »Sie ist eine sehr kalte, berechnende Frau – jedenfalls habe ich sie so kennen gelernt. Und wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf – ihr Hass auf Sie ist grenzenlos.«
Mit Daumen und Zeigefinger fuhr Gropius den Nasenrücken auf und ab, ein Zeichen großer Anspannung. Ziemlich starker Tobak an einem sonnigen Morgen, dachte er, ohne zu antworten, aber warum erzählt er mir das?
Als könne er Gedanken lesen, fuhr Lewezow fort: »Sie fragen sich natürlich, warum ich mich vor Ihnen oute. Wissen Sie, ich bin eben doch nicht abgebrüht genug für meinen Beruf als Schnüffler. Die Vorstellung, in ein Kapitalverbrechen verwickelt zu sein, bereitet mir Unbehagen, mehr noch, ich habe Angst. Wer das Verbrechen duldet, wird selbst zum Komplizen. Ich arbeite nicht mehr für Ihre Frau.«
Gropius war misstrauisch. Lewezows Worte klangen zu edelmütig in seinen Ohren. Warum sollte er ihm glauben? Detektive leben von der Bösartigkeit der Menschen, und Bösartigkeit ist ansteckend wie eine Seuche. Er schwieg.
Lewezow machte ein gequältes Gesicht: »Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang über etwas informieren. Sie sollen wissen, dass ich einen Peilsender unter die Stoßstange ihres Jaguars geklebt habe.«
Gropius sah Lewezow entgeistert an: »Sie?«
»Ich wusste seit Tagen, wo Sie sich jeweils aufhielten. Also auch an dem Tag, an dem Sie Frau Schlesinger am Tegernsee besuchten. Ich wartete in der Nähe ihres Hauses und sah den Kurierfahrer, der das Paket brachte. Um genau zu sein, es waren zwei, einer blieb im Auto sitzen, während der andere das Paket ablieferte. Das machte mich stutzig. Ich habe noch nie einen Paketdienst mit zwei Ausfahrern gesehen. Aber ich konnte doch nicht ahnen, dass es sich dabei um ein Attentat handelte.«
Gropius war wie elektrisiert. »Können Sie den Mann oder das Auto der Täter beschreiben?«
»Ja gewiss, solche Beobachtungen sind ja mein Beruf. Der Mann war groß, trug einen schwarzen Overall und eine Schirmmütze. Bei dem Auto handelte es sich um einen Ford Transit mit der Aufschrift GT-German Transport. Als ich in der Zeitung von der Paketbombe las, versuchte ich etwas über diese Firma in Erfahrung zu bringen.«
»Und? So reden Sie schon!«
Lewezow nickte mit dem Kopf und lachte wichtigtuerisch: »Eine Firma dieses Namens gibt es nicht und hat es nie gegeben. Wenn Sie mich fragen, da waren Profis am Werk.«
Gropius dachte nach, endlich meinte er: »Haben Sie Ihre Beobachtungen der Polizei mitgeteilt?«
»Nein, warum sollte ich?«
Der Professor erhob sich und trat ans Fenster. »Verstehe
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