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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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hatte, schrieb Gropius' Adresse auf den Umschlag und bat den Doorman gegen ein respektables Trinkgeld, den Brief gleich morgen früh zu besorgen.
    Es war das letzte Lebenszeichen von Dirk Lewezow.

K APITEL 9
    A ls Gregor Gropius nach Ablauf von drei Tagen noch immer nichts von Lewezow gehört hatte, wurde er unruhig. Wenn er die Nummer von dessen Mobiltelefon wählte, vernahm er nur eine weibliche Stimme, die in einschläfernder Monotonie verkündete, der Teilnehmer sei vorübergehend nicht erreichbar. Er machte sich Vorwürfe, weil er Lewezow mit der brisanten Angelegenheit betraut hatte, und trug sich jetzt sogar mit dem Gedanken, die Polizei einzuschalten; aber dann vergegenwärtigte er sich seine Situation, und er ließ davon ab. In seiner Lage würde ein von ihm beauftragter Privatdetektiv, der über Nacht verschwindet, den Verdacht noch mehr auf ihn lenken, keinesfalls jedoch zu seiner Entlastung beitragen.
    Da traf am vierten Tag ein Brief aus Prag ein. Gropius las den Absender: Hotel ›Corinthia Towers‹, Kongresová 1, Praha 4. Der Brief enthielt etwa zwanzig Fotos und einen Zettel mit der Aufschrift: Dr. Fichte, Dr. Alexej Prasskov, Thomas Bertram. Wenn Sie interessiert sind, Sie treffen mich beinahe jeden Abend ab 19 Uhr im ›Zlatého tygra‹, in Ihrer Sprache ›Goldener Tiger‹, Husova 17.
    Gropius betrachtete die Bilder: Prasskov in der Wartehalle des Flughafens, Prasskov begrüßt Fichte auf dem Flughafen, Prasskov, Fichte und ein Unbekannter in nicht näher identifizierbarer Umgebung. Wer war der dritte Mann? Wer war Thomas Bertram?
    Die Fotografie zeigte einen wohlgenährten Mann mit vollem Gesicht und einem kräftigen dunklen Haarkranz, der seine kahle Schädeldecke einrahmte. Im Vergleich zu Fichte und Prasskov wirkte er unsicher, beinahe ängstlich. Bertram, der Name kam Gropius bekannt vor. In welchem Zusammenhang hatte er ihn gehört? Nein – nicht gehört – gelesen! Und zwar auf einer Liste. Jetzt fiel es ihm wieder ein – es war die Computerliste der zur Transplantation anstehenden Patienten, die ihm Rita – wie mochte es ihr ergehen? – besorgt hatte. Aufgeregt holte er die Liste von seinem Schreibtisch. Unter Position 56 stand der Name: Thomas Bertram.
    Gropius murmelte mehrmals den Namen vor sich hin. Aber natürlich: Bertram Hochtief, ein Baulöwe mit Niederlassungen in ganz Deutschland! Thomas Bertram passte genau in den Raster wohlhabender Patienten, die bereit waren, für ein gesundes Organ jeden Preis zu zahlen.
    Zum wiederholten Mal versuchte Gropius Lewezow zu erreichen, und zum wiederholten Mal scheiterte der Versuch. Spontan fasste er den Entschluss, selbst nach Prag zu reisen.
    Der Flug mit Czech Airlines von München nach Prag dauerte eine Stunde und fünf Minuten, und Gropius suchte in Prag das Hotel ›Corinthia Towers‹ auf, von wo Lewezow die Fotos an ihn abgeschickt hatte. Als er sich bei seiner Ankunft nach Lewezow erkundigte, erlebte Gropius eine böse Überraschung. Die Empfangsdame, eine herbe, hochgewachsene Schönheit im Look einer Bankangestellten, führte Gropius, als habe sie ihn erwartet, in einen nüchtern möblierten Raum der Hoteldirektion und bat ihn, sich einen Augenblick zu gedulden; dann verschwand sie.
    Kurz darauf erschien ein forscher, glatt rasierter junger Mann im dunklen Anzug mit Weste und stellte sich als Direktor des Hauses vor. Er heiße Hollar. Hollar sprach deutsch mit tschechischem Akzent, und seiner Aussprache haftete etwas Schweykhaftes an.
    »Sind Sie mit Herrn Lewezow verwandt, bitteschön?«, erkundigte er sich höflich, aber mit Nachdruck.
    »Nein«, erwiderte Gropius, »warum fragen Sie?«
    »Waren verabredet mit Herr Lewezow?«
    »Auch nicht. Lewezow weiß gar nicht, dass ich hier bin. Er arbeitet für mich. Ich sehe jedoch keinen Anlass, Sie über meine Privatangelegenheiten aufzuklären. Wollen Sie mir nicht endlich sagen, was dieses Verhör hier zu bedeuten hat?«
    Hollar, der die Arme vornehm auf dem Rücken hielt, trat nahe an Gropius heran, und als wollte er ihm ein Geheimnis anvertrauen, sagte er leise: »Herr Lewezow ist seit drei Tagen spurlos verschwunden. Steht sein Gepäck auf Zimmer und Leihwagen in Garage. Sieht nicht so aus, als handelte es sich um Betrüger von Hotelrechnung.«
    »Haben Sie die Polizei verständigt?«
    »Noch nicht, Herr Gropius. Sie verstehen, ist nicht gut für Ruf eines Hauses, wenn geht Polizei ein und aus.«
    »Ich verstehe«, antwortete der Professor. »Hier haben Sie meine

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