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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Gropius vom Tegernsee nach München zurück. Ein ungewisses Gefühl hatte ihn davon abgehalten, eine weitere Nacht mit Felicia zu verbringen. Schon von weitem sah er den Wagen, der mit Standlicht neben der Garageneinfahrt parkte, und einen Augenblick zögerte er, ob er nicht wenden und wieder fortfahren sollte. Doch dann erkannte Gropius im Innern des wartenden Fahrzeugs Dirk Lewezow. Seit Tagen hatte er nichts mehr von ihm gehört.
    Als Lewezow Gropius erblickte, verließ er seinen Wagen und trat ihm entgegen.
    »Den ganzen Tag versuche ich Sie schon zu erreichen, Professor! Es ist dringend!«
    »Kommen Sie rein«, erwiderte Gropius. Mittlerweile kannte er den Privatdetektiv zur Genüge und wusste, dass er nur allzu gern dazu neigte, die Dinge zu dramatisieren. Vermutlich ging es auch diesmal nur um Geld und nichts anderes. »Was gibt es denn so Dringendes?«
    »Ich brauche Geld!«, erwiderte der Detektiv in forderndem Tonfall.
    »So, Geld brauchen Sie«, bemerkte Gropius spöttisch, »und ich dachte schon, Sie hätten eine wichtige Beobachtung gemacht, die mir weiterhelfen könnte.«
    Lewezow setzte ein überlegenes Grinsen auf und nahm auf der Couch Platz. Dann sagte er, wobei er die Wichtigkeit seiner Aussage mit heftigen Armbewegungen unterstrich: »Ihr Kollege Dr. Fichte hat für übermorgen einen Flug nach Prag angemeldet. Ich weiß das von meinem Freund Geller. Fichte will mit seiner Piper Seneca II gegen zehn Uhr starten.«
    »Interessant!« Gropius machte ein nachdenkliches Gesicht.
    »Ich wollte Ihnen den Vorschlag machen, dass ich morgen nach Prag fliege, um mich an Fichtes Fersen zu heften, sobald er eintrifft.«
    »Keine schlechte Idee, Lewezow, sogar eine brillante Idee. Wie viel brauchen Sie?«
    »Fünftausend?«, erwiderte der Detektiv vorsichtig fragend. »Schließlich weiß ich nicht, was mich in Tschechien erwartet, und die Hotels in Prag sind nicht gerade billig!«
    Gropius stellte einen Scheck aus und reichte ihn Lewezow.
    »Ich möchte über jeden Schritt Fichtes in Prag informiert werden. Jede Kleinigkeit kann von Bedeutung sein. Ich vertraue Ihnen. Bitte halten Sie mich auf dem Laufenden. Vor allem möchte ich wissen, wann der werte Herr Kollege zurückkommt!«
    »Sie können sich fest auf mich verlassen, Professor. Es wird mir ein Vergnügen sein zu beobachten, wie sich die Schlinge immer enger um Fichtes Hals zieht.«
    Über Wien flog Lewezow am folgenden Morgen nach Prag. Der Flughafen Ruzyně, vierzehn Kilometer westlich von Prag an der Straße nach Kladno gelegen, ist ein hässliches Bauwerk wie die meisten Flughafengebäude aus der Zeit des Kommunismus. Dafür aber relativ übersichtlich und wenig geeignet, sich zu verirren wie in Frankfurt oder Paris Charles de Gaulle. Und so gelang es Lewezow in kurzer Zeit, das Gate ausfindig zu machen, das von Piloten und Passagieren der Privatmaschinen benutzt wird. Bei PRAGOCAR mietete er einen Leihwagen, einen unauffälligen beigefarbenen Skoda. Über Brevnov fuhr Lewezow in die Innenstadt und weiter südwärts zum Kulturpalast in Vyšehrad, wo sich in Sichtweite das Hotel ›Corinthia Towers‹ befindet, ein Komplex aus zwei aneinander gebauten gläsernen Türmen mit fünfhundert Zimmern und direktem U-Bahnanschluss, in jeder Hinsicht ideal für einen Privatdetektiv.
    Von früheren Aufenthalten war ihm Prag nicht unbekannt, und so verbrachte Lewezow den Nachmittag in den berühmten Kaffeehäusern der Innenstadt, dem ›Kajetánka‹ am Hradschiner Platz, dem ›Slavia‹, von dem aus man auf das Nationaltheater blickte, auf Hradschin und Karlsbrücke, und dem ›Alfa‹ am Wenzelsplatz. ›Bei Fleck‹, tschechisch ›U Fleku‹ genannt, einem fünfhundert Jahre alten Bierlokal an der Křemencova mit verrauchten Schankräumen und unverwechselbarer Atmosphäre, aß er eine Kleinigkeit und trank ein Krügel dunkles Bier, dann zog er sich in sein Hotelzimmer zurück, nicht ohne dem Portier einen Weckauftrag für punkt sieben Uhr zu erteilen.
    Lewezow tat gut daran, denn das kräftige tschechische Bier blieb nicht ohne Wirkung. Jedenfalls bedurfte es eines zweiten Anlaufs der Telefondame, um den verschlafenen Hotelgast wachzukriegen.
    Mit dem Taxi traf Lewezow gegen 10 Uhr 30 auf dem Flughafen Ruzyně ein. Der Betrieb hielt sich in Grenzen, was dem Detektiv sehr entgegenkam. Lewezow sondierte noch einmal das Terrain, ging alle Wege ab, welche der Besucher aus Deutschland nach der Ankunft nehmen könnte, und vergewisserte sich, dass es keine Aufzüge

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