Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
Vom Netzwerk:
niemand sich für ihre Unterhaltung zu interessieren schien. »Ich habe den Detektiv eingeschaltet, weil meine Frau fremdgeht.«
    »Ah, ich verstehe!« Die Antwort schien Milena zu beruhigen. »Und der Nebenbuhler heißt Prasskov. Sehr gut möglich! Prasskov hält sich angeblich viel in Deutschland auf. Aber wenn Ihre Frau Sie betrügt, warum betrügen Sie sie nicht einfach zurück? Heute haben Sie die Gelegenheit!« Sie rückte ihre respektablen Brüste unter ihrer eleganten Kostümjacke zurecht. »Über den Preis werden wir uns bestimmt einig.« Sie blickte verheißungsvoll, und Gropius nickte höflich.
    »Vielleicht später. Im Moment steht mir nicht der Sinn danach. Mein Privatdetektiv ist seit ein paar Tagen spurlos verschwunden. Wo würden Sie an meiner Stelle nach Lewezow suchen? Dazu bin ich Ihnen eine Erklärung schuldig: Lewezow ist nämlich, naja, er ist homosexuell.«
    »So, ist er das!« Milenas Stimme klang auf einmal kalt und abweisend. »Und Sie? Sind Sie etwa auch so ein verheirateter Homo, der dem anderen Geschlecht die Zeit stiehlt?«
    Mit dem Hochmut eines an Erfahrung reichen Freudenmädchens nahm Milena einen Geldschein aus ihrer Handtasche, warf ihn lässig wie eine Skatkarte auf den Tisch, griff nach ihrem Mantel und verabschiedete sich, noch ehe Gropius etwas einwenden konnte, mit den Worten: »Na dann viel Erfolg, Sie schwuler Papiertiger!«
    Gropius blieb nicht einmal Zeit, sich von seinem Platz zu erheben, so sehr verblüffte ihn das lose Mundwerk der künstlichen Blondine. Im Übrigen musste er sich hüten aufzufallen.
    Nachdem Milena das Lokal verlassen hatte, widmete sich Gropius der Beobachtung Prasskovs und Fichtes. Sie schienen sich angeregt zu unterhalten. Scheinbar gelangweilt brütete Gregor vor sich hin. Als er den Eindruck hatte, dass die beiden sich anschickten, den ›Goldenen Tiger‹ zu verlassen, beglich er seine Rechnung und heftete sich an ihre Fersen.
    Zu Fuß nahmen Prasskov und Fichte den Weg durch die schummrigen Gassen der Altstadt. Vom Winter, der in manchen Jahren um diese Zeit das Leben erstarren lässt, keine Spur. Durch die Straßen wehte dumpfer Kneipengeruch. Aus manchen Lokalen drangen Musikfetzen nach draußen. In sicherem Abstand folgte Gropius den beiden Männern.
    Nach etwa fünfzehn Minuten erreichten sie den Wenzelsplatz, um dann nach wenigen hundert Metern im Hotel ›Europa‹ zu verschwinden. Durch die gläserne Eingangstür beobachtete Gregor, wie Prasskov und Fichte mit dem Hotelportier ein kurzes Gespräch führten. Schließlich betraten sie den Hotellift, und die Tür schloss sich hinter ihnen.
    Den Blick auf den Hoteleingang gerichtet, ging Gropius auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes auf und ab. Nach einer knappen halben Stunde begann er zu frösteln, und er zog es vor, ein Taxi zu besteigen und in sein Hotel zu fahren.
    Am nächsten Morgen wurde Gropius durch heftiges Klopfen an der Zimmertür geweckt. Er schreckte hoch. Die Uhr an seinem Bett zeigte 8 Uhr 10.
    »Herr Gropius, bitte öffnen Sie!«, vernahm er die Stimme des Hoteldirektors.
    Hastig stieg er in seine Kleider und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, dann öffnete er die Tür. Draußen stand Hollar in Begleitung zweier Männer, deren schlampige Kleidung sich deutlich von der Feiertagskleidung des Hoteldirektors abhob.
    »Die Herren sind von der Kriminalpolizei«, sagte Hollar mit einer dezenten Handbewegung.
    »Ja, und?«, fragte Gropius verwundert.
    Hollar hielt Gropius eine zusammengefaltete Zeitung vors Gesicht. »Kennen Sie diesen Mann?«
    Mein Gott, ja. Das war das aufgedunsene Gesicht Lewezows! Hollar deutete auf die Textzeile über dem Bild. »Unbekannte Wasserleiche aus der Moldau geborgen!«, übersetzte er stotternd.
    »Ja natürlich, das ist Lewezow!« Und an die Kriminaler gewandt: »Ich bin hierher nach Prag gekommen, um Lewezow zu suchen! Was ist passiert?«
    Der eine, er trug eine billige schwarze Lederjacke und ausgebeulte Cordhosen, dazu Schuhe mit dicken Profilsohlen, stellte sich vor, er heiße Mucha, und fragte in gepflegtem Deutsch: »Sie sind Herr Gropius?«
    »Professor Gregor Gropius!«, stellte Gropius richtig.
    »Also gut, Professor Gropius. Können Sie bestätigen, dass es sich bei dem Mann um Herrn Dirk Lewezow handelt?«
    »Aber gewiss. Ich bin ganz sicher!«
    »Und in welcher Beziehung stehen oder standen Sie zu Herrn Lewezow, Herr Professor?«
    »Was heißt Beziehung, in überhaupt keiner Beziehung. Lewezow war Privatdetektiv und in

Weitere Kostenlose Bücher