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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Kreditkarte. Buchen Sie Lewezows Rechnung auf mich.«
    »Aber warum, wenn sind nicht verwandt?« Hollar schien diese Lösung nicht angenehm.
    Gropius holte tief Luft, dann sagte er: »Hören Sie zu, Lewezow ist Privatdetektiv und in meinem Auftrag in Prag unterwegs. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Detektiv zur Aufklärung einer Straftat einmal für zwei oder drei Tage untertaucht.«
    »Jetzt ich verstehe!«, erwiderte Hollar erleichtert. »Brauche ich also nicht Polizei zu verständigen.«
    »Nein!«, entgegnete Gropius mit fester Stimme.
    Gropius hatte kein gutes Gefühl, als er sich noch am selben Abend in die Prager Altstadt begab, um das Lokal ›Zum Goldenen Tiger‹ aufzusuchen, jenes Lokal, das auf dem mysteriösen Zettel vermerkt war, den Lewezow den Fotos beigelegt harte. Dass er weder Namen noch Aussehen des Schreibers kannte – oder handelte es sich vielleicht sogar um ein zweideutiges Angebot? –, machte die Sache nicht gerade einfacher.
    Im Taxi ließ sich Gropius bis in die Nähe des Alten Rathauses mit seiner berühmten astronomischen Uhr chauffieren. Das letzte Stück ging er zu Fuß, nachdem der Taxifahrer ihm den Weg genau beschrieben hatte. Besonders zur Nachtzeit gleichen die Straßen der Prager Innenstadt einer unnachahmlichen Theaterkulisse, hier und da hallen Schritte und Stimmen durch die engen Gassen. Autos wirken fremd in dieser Szenerie, und Gropius hätte, als er in die Husova-Straße einbog, sich nicht gewundert, wenn ihm der Golem oder Dr. Caligari aus dem gleichnamigen Stummfilm entgegen gekommen wäre.
    In der Gaststätte ›U zlatého tygra‹ – dem Goldenen Tiger, wird, da sind sich Prager und Touristen einig, das beste Pilsner der Stadt ausgeschenkt, und so kommt es, dass in dem Lokal nicht selten kein einziger Platz frei ist für einen fremden Besucher. An diesem Abend hatte Gropius Glück. Im großen Gastraum gegenüber dem Eingang fand er einen freien Tisch, ideal, um das Kommen und Gehen der Gäste zu überblicken. Bei einem Ober in weißer Schürze bestellte er ›Kachna se zelim a knedlikem‹ – Ente mit Kraut und Semmelknödeln – und ein großes Pilsner.
    Er saß noch nicht lange, als eine elegant gekleidete Dame, weiter Mantel über kurzem Kostüm, die schwarz bestrumpften Beine in hochhackigen Stiefeln, das Lokal betrat, nach einem Platz suchte und geradewegs auf ihn zusteuerte.
    In englischer Sprache fragte sie, ob am Tisch ein Platz frei sei, und als Gropius sie mit einer einladenden Handbewegung aufforderte, Platz zu nehmen, fuhr sie auf Deutsch fort: »Wie gefällt Ihnen Prag?« Und ohne eine Antwort abzuwarten: »Sind Sie allein hier? Geschäftlich?«
    »Das sind drei Fragen auf einmal«, Gropius lächelte und half ihr aus dem Mantel. »Meine Antwort auf Ihre erste Frage lautet: Gut, obwohl ich nach meiner Ankunft im Hotel ›Corinthia Towers‹ noch nicht viel von der Stadt gesehen habe; auf die zweite Frage antworte ich mit Ja, auf die dritte mit Nein. Was möchten Sie sonst noch wissen?«
    Etwas verlegen, zumindest sollte es so aussehen, hielt die schöne Pragerin die Hand vor den Mund, dann erwiderte sie: »Bitte ich um Entschuldigung, aber ich bin nun einmal furchtbar neugierig, vor allem was Männer betrifft.«
    Gropius zog die Augenbrauen hoch. »Woher können Sie so gut deutsch?«
    »No ja, ist mein Englisch besser als mein Deutsch. Bin ich Lehrerin«, und nach einer Pause, »gewesen.«
    Gregor sah ihr ins Gesicht. Für eine Lehrerin war die junge Frau viel zu hübsch. Sie trug ein nicht gerade dezentes Make-up, ihre gepflegten blondierten Haare waren hochgesteckt, wohl um sie größer erscheinen zu lassen, und was sie unter ihrer Kostümjacke herumtrug, war nicht zu verachten. Mit einer lässigen Handbewegung, die ihre langen roten Fingernägel in Szene setzte, winkte sie den Ober herbei und gab, ohne einen Blick auf die Speisekarte zu werfen, eine Bestellung auf.
    »Sie sind öfter hier?«, erkundigte sich Gropius bei seiner attraktiven Tischnachbarin.
    Sie hob kokett die Schultern und antwortete: »Ja, manchmal!«
    »Was meinten Sie damit, Sie seien Lehrerin gewesen?«
    Die Frau fingerte eine Schachtel Zigaretten aus einer kleinen Handtasche und zündete sich eine an. »Es stört Sie doch nicht, wenn ich rauche.«
    Obwohl er Zigarettenrauch verabscheute, und obwohl der Ober im selben Augenblick sein Essen servierte, schüttelte er den Kopf. Normalerweise hätte Gropius empört reagiert, sie solle ihren Qualm an anderer Stelle verbreiten,

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