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Die Akte Kachelmann

Die Akte Kachelmann

Titel: Die Akte Kachelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Knellwolf
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2010 liegt erst ein Gutachten vor und so ergeht ein Haftbefehl gegen Jörg Kachelmann, geschieden, wohnhaft in CH-9057 Weissbad, Schweizer Staatsangehöriger. Der dringende Tatverdacht, heißt es darin, ergebe sich aufgrund der bisherigen Ermittlungen der Kriminalpolizei Schwetzingen und insbesondere aufgrund der ärztlichen Untersuchung der «Geschädigten» sowie deren Angaben. Haftgrund: Fluchtgefahr.
    Sonja A. glaubt, dass er nicht zurückkommt. Er könne in Kanada bleiben oder in den USA, wo er Häuser besitze. Er könne sich doch denken, heißt es in ihrem tagebuchartigen Text, dass sie bei der Polizei war. Vielleicht, so mutmaßt sie im «warum.doc», pendelt er künftig von Nordamerika direkt in die Schweiz. Die Eidgenossenschaft würde ihren Bürger nicht in die Bundesrepublik ausliefern.Dann ist er fein raus, schreibt sie, und ich gehe kaputt. Oh Gott, hält sie fest, wie ich ihn hasse.
    Der Verdächtige, der Gehasste, hat im fernen Kanada den Disput um das Maskottchen der Konkurrenz mit Einsicht und einem Spruch beigelegt: «Der ZDF-Biber darf natürlich fressen, was er will. Er ist ja eine Trick-Figur. Donald Duck muss sich ja schließlich auch nicht ernähren wie eine Ente.» Mediale TV-Kritiker ernsthafter Blätter fragen sich, ob ein öffentlich-rechtlicher Sender wirklich einen Wettermann im Olympiateam braucht. Empört zeigen sie sich, als Jörg Kachelmann seinen Landsmann und Doppelskisprungsieger Simon Ammann («Simi!») in Schweizer Mundart interviewt. Die «Bild»-Zeitung hingegen wählt Kachelmann samt Biber («beide Kult!») in die Top Ten der deutschen Olympiaberichterstatter.

Geheimoperation auf dem Flughafen
    «Das wars von den Olympischen Spielen», twittert Jörg Kachelmann am 28. Februar 2010, «vielen Dank fürs Mitlesen. Herzlich JK.» Zwanzig Tage nach der folgenschweren Nacht von Schwetzingen erlischt in Vancouver das Feuer, das aus Athen kam. Doch nach Europa zurück will JK nicht. Noch nicht.
    Auf Twitter hat JK rund 700 Follower. Auch Sonja A. hat seine Kommunikation über Kurzmitteilungen stets verfolgt. Besorgt und doch beruhigt. Doch nun erscheint Jörg Kachelmann nicht mehr im Fernsehen und twittert nur noch selten.
    Und Sonja A. überlegt sich, was der Mann gerade tut, von dem sie sagt, er habe sie misshandelt. Ob er in der Psychiatrie steckt? Abgetaucht ist? In der Chronologie ihres Leidens, im «warum.doc», fragt sie sich, ob sich «das Schwein» umgebracht habe. Sie wünscht sich, es wäre so. Das wäre das Beste für ihn und für sie, schreibt sie. Doch was ist, wenn er nie wieder auftaucht?
    Seit drei Wochen herrscht Funkstille zwischen ihr und ihm. Nach rund 270 Kontakten per Telefon, E-Mail, Internetchat allein in den ersten fünfWochen des Jahres 2010. So wird ein Richter zählen. Die Polizei hat Sonja A. angewiesen, sich bei Jörg Kachelmann nicht zu melden. Daran hat sie sich die ganze Zeit gehalten. Bis zum Ende der Spiele.
    Nun wählt sie seine Handynummer. Nicht nur einmal, sondern zweimal. Als die Ermittler Wochen später ihre Mobiltelefondaten auswerten, staunen sie nicht schlecht, als die beiden Anrufe auf einer Liste der Polizeidirektion Heidelberg auftauchen. Sie kritzeln zweigroße Fragezeichen hinter die Einträge «Jörg». Sonja A. hat ihnen nichts davon erzählt.
    Erstmals ruft Sonja A. am Tag vor ihrem 37. Geburtstag an. Sie zittert am ganzen Körper, als sie nach einem Klingeln auflegt. So schreibt sie es zumindest im «warum.doc». Später vertraut Sonja A. einem Gutachter an, Jörg habe ihr mal versprochen, dann zurück zu sein, um mit ihr zu feiern.
    Ihr zweiter Anruf erfolgt am Tag, nach dem JK in einer Art kriminalistischem Rückblick auf die Winterspiele getwittert hat: «Olympischer Friede: Dieses Jahr erst 7 Drogengang-Morde in Vancouver und Umgebung (Vorjahr: 21 Morde)». Fasst Sonja A. das als versteckte Drohung auf? Die Polizei wird nachfragen, weshalb sie die Kontaktsperre nicht eingehalten habe. Während der Olympischen Spiele, wird Sonja A. antworten, habe sie dank der Fernsehübertragungen gewusst, wo er war. Danach sei die Ungewissheit gekommen: Kehrt er jetzt heimlich zurück? Bleibt er noch? Oder ist er auf der Flucht? Anhand des Klingelns habe sie kontrollieren wollen, ob sich Kachelmann noch in Kanada aufhalte. Mit unterdrückter Rufnummer. Ganz kurz. Bevor er abnehmen kann, hängt sie auf. Konfrontiert mit den Erkenntnissen aus der Handyauswertung wird Sonja A. von der Angst erzählen, die sie verfolgt habe. Steht er plötzlich

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