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Die Akte Kachelmann

Die Akte Kachelmann

Titel: Die Akte Kachelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Knellwolf
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hygienischen Zuständen zurückweisen. «Die Gänge werden mehrmals täglich gereinigt», wird der stellvertretende Gefängnisdirektor betonen. Für die Sauberkeit der Hafträume jedoch seien die Gefangenen selbst verantwortlich. «Wie der einzelne da für Reinlichkeit sorgt, ist unterschiedlich», wird er erklären. Jörg Kachelmann habe sich während seiner Haft zu keinem Zeitpunkt über mangelhafte Hygiene beschwert. Es gäbe aber, wird er einräumen, in Gefängnissen «generell ein Problem mit Ungeziefer».

Die härteste Sendung
    Janine Wollbrett, «Bild»-Reporterin im Rhein-Neckar-Kreis, fährt zur Arbeit. Das Handy klingelt. Der Anruf wird dem Boulevardblatt im Jahresrückblick 2010 einen Artikel wert sein. Dran ist, so schreibt Wollbrett, ein alter Bekannter. Jahrelang habe sie nichts mehr von ihm gehört. Doch jetzt, am 22. März 2010, kurz vor 8 Uhr, sagt er: «Ich habe brisante Nachrichten für dich.»
    So etwas vernehmen Journalisten öfters. Selten stimmt es. Doch dieses Mal scheint «brisant» untertrieben. «Jörg Kachelmann», so zitiert Wollbrett ihren Informanten, «sitzt im Mannheimer Knast. Wegen Vergewaltigung. Kein Scherz.»
    Minuten später nimmt eine Sekretärin in der Kanzlei Birkenstock am Hohenzollernring 28 in Köln einen Anruf von einer unbekannten Nummer entgegen. Am anderen Ende der Leitung ist jemand von der «Bild»-Zeitung, der alles weiß: Dass Jörg Kachelmann in Frankfurt verhaftet wurde, dass er seit zwei Tagen in der Mannheimer JVA einsitzt, dass Reinhard Birkenstock ihn verteidigt. Doch die Sekretärin bestätigt nichts, stellt das Telefonat nicht zum Chef durch, wimmelt ab. Das wird zur Dauerbeschäftigung in der Kanzlei Birkenstock in den kommenden Tagen und Wochen, ja Monaten.
    Zwei Häuserblocks weiter, am Kölner Friesenplatz, sitzt Ralf Höcker im Büro. Bis vorgestern war Jörg Kachelmann für ihn ein juristisch unkomplizierter Mandant, wohl nichts im Vergleich zu anderer Promi-Kundschaft seiner Kanzlei wie der schönen Heidi Klum und viel weniger prominent als Starstürmer Lionel Messi.
    Nun wird Jörg Kachelmann für Ralf Höcker vom Routine- zum Ausnahmefall. Übers Wochenende hat er zu verhindern versucht, was sich bald nicht mehr verhindern lässt. Der 39-Jährige mit denjugendlichen Gesichtszügen interveniert bei der Staatsanwaltschaft in Mannheim, bei der ermittelnden Kripo und beim Anwalt von Sonja A. Niemand soll die Inhaftierung seines Mandanten publik machen. Das ist Höckers Ziel. Ein hohes Ziel.
    Die alten Römer wussten: Aliquid semper haeret. Etwas bleibt immer hängen. Ist eine schlechte Nachricht, und sei es ein Gerücht, in die Welt gesetzt, ist der Schaden angerichtet. Wird der Vergewaltigungsverdacht bekannt, wird Jörg Kachelmann nie mehr nur der nette Wetterplauderer von nebenan sein können. Doch es kommt schlimmer. Es bahnt sich eine Affäre an mit ungeahnten Dimensionen, ungeahnter Wirkung: Mit Kachelmanns Fall werden sich Medien in Deutschland und in der Schweiz so intensiv auseinandersetzen wie kaum je mit einem Strafverfahren.
    Ralf Höcker, auch Professor der Cologne Business School, wird sagen, dass die Persönlichkeitsrechte seines Mandanten so verletzt worden sind, «wie bei kaum jemandem zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik». Journalisten werden monieren, dass Höckers dauernde Interventionen eine ausgewogene Berichterstattung über den Fall Kachelmann unmöglich machten. Unbestritten ist: Jörg Kachelmann wird für mehr als ein Jahr lang wohl der betreuungsintensivste Mandant Ralf Höckers. Sein Fall wird Gegenstand unzähliger Abmahnungen. Mehr als 30 einstweilige Verfügungen wird Höcker ein Jahr später auf seiner Homepage auflisten. Das Kölner Landgericht untersagt immer wieder der «Bild»-Zeitung, der Feministin Alice Schwarzer, der Illustrierten «Bunte» und dem Nachrichtenmagazin «Focus», aber auch anderen Zeitungen und Journalisten, Einseitiges, Intimes oder Falsches über den Verdächtigen zu berichten. Manchmal finden die betroffenen Medienhäuser nichts an ihrer Berichterstattung einseitig, zu intim oder falsch. Dann streitet sich die Kanzlei Höckers mit ihnen juristisch um die publizistische Deutungshoheit.
    Doch nun, unter kleineren und größeren Kriminellen, braucht der Inhaftierte nicht in erster Linie einen Medienanwalt, sondern einen Strafverteidiger. Einen, der ihn raus haut aus seiner misslichen Lage, aus seiner Mannheimer Zelle. «Birkenstock haut se alle raus» – das wissen gemäß «stern.de»

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