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Die Akte Kachelmann

Die Akte Kachelmann

Titel: Die Akte Kachelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Knellwolf
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Zweierzelle, «zur Suizidprophylaxe». Schüssler, Leiter der Justizvollzugsanstalt Mannheim, gibt vielerorts Auskunft an diesem Tag und an den folgenden, nicht ungern aus persönlicher Warte. «Ich kenne Herrn Kachelmann bislang auch nur aus dem TV», lässt er die anrufenden Redakteure wissen, «doch ich werde ihn auf jeden Fall in seiner Zelle besuchen, um zu schauen, ob es ihm gut geht.»
    An verschiedenen Orten machen solche Zitate besonders betroffen. In Schweizer Voralpennestern, aber auch in Nord- und Süddeutschland sorgen sich mehrere Frauen um den Mann, in dem sie ihren Lebenspartner sehen. Die meisten von ihnen werden noch diese Woche, in der sie über die Medien voneinander erfahren, zu Exgeliebten Jörg Kachelmanns. Doch noch im Irrglauben, sie seien die Einzige an der Seite des Wettermannes, beunruhigt sie schwer, was Gefängnisdirektor Schüssler da ausplaudert. «Da er so geschockt wirkte», so wird der JVA-Leiter zitiert, «ließ ich ihn durch einen Psychologen untersuchen.»
    Kachelmanns Frauen erfahren ab dem Tag mit der Albtraumnachricht praktisch per Live-Ticker, was sich hinter den Mauern der JVA Mannheim abspielt – aus der Chefperspektive. Kaum ist seine Suizidwarnung publiziert, kann Gefängnisdirektor Romeo Schüssler bereits wieder entwarnen: Kachelmann gehe es «den Umständenentsprechend gut», auch wenn er nach wie vor etwas «geschockt» sei. «Er ist», sagt der Gefängnisdirektor, «nicht suizidgefährdet, bleibt aber in nächster Zeit in einer Zwei-Mann-Zelle.»
    «Die größte Sorge der Justizvollzugsanstalt war, dass ich mich aufhänge. In der ersten Woche ging alles nur darum», wird Jörg Kachelmann dazu ein halbes Jahr später in einem «Spiegel»-Interview sagen. «Bis Ärzte und Psychologen zu dem Ergebnis kamen: Der hängt sich nicht ans Gitter.» Dann wird er hinzufügen: «Nichts lag mir ferner. Ich bin unschuldig. Niemals wäre ich auf diese Idee gekommen. Es wäre ja das groteskeste Schuldeingeständnis gewesen.» Anfangs habe er «noch relativ großes Vertrauen in die deutsche Justiz» gehabt.
    Publik wird sogar, was der Suizidgefährdete-und-dann-dochnicht-Suizidgefährdete zu essen bekommen haben soll an einem der Tage, an dem er mehr denn je die Schlagzeilen beherrscht: Auf dem Speiseplan im «Café Landes», wie die Mannheimer Justizvollzugsanstalt bei deren Insassen heißt, stünden Fleischkäse und Wirsing. Extrawürste gibt es keine für den Neuen in der Anstalt, «keine Sonderbehandlung», betont JVA-Chef Schüssler.
    Von Prominentenbonus kann keine Rede sein, eher von Promimalus. Persönlichkeitsrechte stünden auch dem bekanntesten Wettermoderator des deutschen Sprachraums zu. Doch das ist Theorie. Die Praxis bestimmen die Medien – und der Gefängnisdirektor. Romeo Schüssler sieht kein Problem darin, zu erzählen, dass der TV-Mann bislang auf den Fernseher, der ihm hinter Gittern zusteht, verzichtet hat. «Vielleicht», mutmaßt er, «hatte er noch keine Zeit, sich einen zu mieten. Das müsste er übrigens selber bezahlen.»
    Einer Beamtenkarriere schadet solche Auskunftsfreudigkeit kaum: Kein halbes Jahr zieht ins Land, da wird Romeo Schüssler befördert. Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll wird ihn am 3. August 2010 zum Präsidenten des Amtsgerichts Mosbach ernennen. Fünf Tage nachdem Jörg Kachelmann die Justizvollzugsanstalt Mannheim verlassen durfte. Nach 131 Tagen.
    Kachelmanns Firma fasst sich kurz. «Mit großem Entsetzen», heißt es in einer Medienmitteilung noch am Montag, «hat der Wetterdienst Meteomedia von den Anschuldigungen gegen Jörg Kachelmann Kenntnis genommen. Wir halten es für undenkbar, dass die Anschuldigungen stimmen könnten.» Die Anwälte Höcker und Birkenstock unternähmen derzeit «alles, um die ungerechtfertigten Vorwürfe aufzuklären».
    Die härteste Sendung von Sonja A. dauert drei Stunden. Das Album der Woche ist schnell verlost. Techno wummert. Und schon ruft, ganz aus der Nähe, Lokalradio Regenbogen an. Die Mannheimer Kollegen wissen seit Jahren von der Beziehung der Sunshine-Mode-ratorin zum Wettermann. Scheinheilig, so wird Sonja A. einem Gutachter erzählen, hätten sie nachgefragt, was los sei. Ob sie die Vergewaltigte sei, wollen sie wissen.
    Sonja A. hat mit Rechtsanwalt Franz und mit ihren Eltern verabredet, niemandem etwas zu sagen, keine Kommentare abzugeben, nichts. Daran hält sie sich nun gegenüber Radio Regenbogen und daran hält sie sich in den nächsten Tagen, als Medienvertreter ihre

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