Die Akte Kachelmann
Landgerichts herunterliest. Von vielen Versuchen hat Herta C. nichts mitbekommen, weil sie an den Tagen nach der Festnahme ihres Liebsten, der bald nach ihrer Aussage eine andere heiraten wird, nicht im gemeinsamen Haus war. Als sie noch einmal kurz ins Appenzellerland zurückkehrte, stand plötzlich der «Blick» vor der Tür. Die «Bunte», wohl von Anwohnern informiert, ruft an und die «Superillu» ebenso. Kachelmanns Medienanwalt Höcker interveniert in der Redaktion des Blatts, damit die Noch-Partnerin seines Mandanten in Ruhe gelassen wird.
Doch andere machen weiter. «Bild am Sonntag» fragt sie nochmals per SMS, ob sie nicht doch ein «Mosaiksteinchen» zur Lösung des Rätsels Kachelmann beitragen wolle. Sie will nicht. «Bunte», «Bild» und «Blick» holen sich eine erneute Absage ab. Auch die bereits abgewiesene «Stern»-Journalistin lanciert nochmals eine «vorsichtige Anfrage» und betont bei dieser Gelegenheit, wie rücksichtsvoll die Zeitschrift bislang in der Sache berichtet habe. Doch die Bedrängte, die Betrogene, möchte partout nicht öffentlich ihr Herz ausschütten. Herta C. ist nicht einmal gewillt, mit den Schwetzinger Ermittlern zu reden, die sich nach all den Medien auch noch bei ihr melden. Nur schriftlich und über ihren Rechtsanwalt bezieht sie gegenüber der Strafverfolgungsbehörde Stellung – für Jörg Kachelmann. Sie sei zwar traurig wegen der Dinge, hält sie fest, die als «Beifang» der Ermittlungen publik geworden seien. Doch ihre Privatsachen müssten ihr langjähriger Partner und sie untereinander klären. Nach all ihren Erfahrungen, schreibt sie weiter, könne sie sich nicht vorstellen, dass Jörg Kachelmann jemanden in bösartiger Absicht seelisch oder körperlich verletzen könne. Eine Vergewaltigung – so endet ihre schriftliche Aussage vom 26. Mai 2010 – schließe sie aus.
Im Kleinen Feld in Schwetzingen sind bereits seit Montagnachmittag Reporter unterwegs. Lokal, in Medienkreisen zumindest, war es höchstens ein offenes Geheimnis, dass Sonja A. den Wettermoderator liebte, und er, so schien es, sie auch. Nun tauchen immer mehrJournalisten in ihrer Straße auf, sie warten, sie stehen vor ihrer Tür und vor der ihrer Eltern, sie sitzen im Auto, sie gehen auf und ab, sie fahren auf und ab, sie fragen in der Nachbarschaft, wer Jörg Kachelmann wann zuletzt gesehen hat. Kamerateams filmen die Reihenhäuser, die Hecken, die Vorgärten, in denen Primeln blühen und Narzissen. Die Telefone klingeln bei Sonja A. und ihren Eltern und ab und zu auch die Türglocken. Der Vater wimmelt, wohl in einem Anflug von Galgenhumor, die aufdringlichen Reporter auf Spanisch ab. «Yo no sé», antwortet er, ich weiß nicht.
Als ein Polizistenduo Sonja A. nochmals aufsucht, hängt sich «Bild»-Reporterin Janine Wollbrett an deren Fersen. Sie will mit der Polizei rein ins Dreiparteienhaus. Doch Kripo-Ermittlungsleiter Horst D. knallt ihr die Haustür vor der Nase zu. Oben in der Wohnung ist Sonja A. allein. Auf die Polizisten wirkt sie nervös, ja aufgelöst. Sie weint, zittert und sagt, sie wolle keine Schlammschlacht, sie stehe das nicht durch.
Auf die einfühlsame Tour versucht sich die «Bunte» heranzupirschen. Die Münchner Illustrierte stellt sich auch bei Sonja A. wiederholt als publizistische Interessenvertreterin der Betrogenen Jörg Kachelmanns dar. Sie empfiehlt sich als Redaktion, der Frauen vertrauen. «Ich hoffe sehr, dass es Ihnen gesundheitlich etwas besser geht?!», wird Chefreporterin Tanja May eine Woche nach der Verhaftung nach Schwetzingen faxen. «Wie ich Ihnen schon mehrfach geschrieben habe, habe ich Ihnen von Anfang an geglaubt, was Herr Kachelmann Ihnen angetan hat.» Bei der «Bunten» hätten sich mittlerweile «sechs Frauen gemeldet, die während der vergangenen Jahre (fast alle parallel) mit Herrn Kachelmann liiert waren». Alle erzählten «identisch dieselbe Geschichte»: «Er müsse rund um die Uhr arbeiten, führe einen teuren Prozess gegen seine Exfrau in Kanada.» Deshalb habe er weder Geld noch Zeit, um eine gemeinsame Zukunft zu planen. «Zudem», weiß Tanja May, «erzählte er jeder einzelnen, dass sie in seinem Leben die einzige Frau sei und dass nur sie ihm helfen könne» bei seinen Problemen und mit seinen Kindern. Nichts davon sei leider wahr – «was für alle Frauen gleich schmerzhaft ist».
Die «Bunte» wird zur Zeitschrift, der die Enttäuschten vieles anvertrauen – gegen Entgelt. Mindestens dreien wird die Redaktion Tausende
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