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Die Akte Kachelmann

Die Akte Kachelmann

Titel: Die Akte Kachelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Knellwolf
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Niemand will eine Schlammschlacht. Und es kommt zu keiner Schlammschlacht. Noch nicht.
    Den ganzen April lang bleibt die Informationslage dünn. VonJörg Kachelmanns Vernehmung kennt die Öffentlichkeit lange nicht viel mehr als Jörg Kachelmanns Zusammenfassung: «Ich bin unschuldig.» Und mangels Angebot an Wettermann-Nachrichten und bei großer Nachfrage des Medienpublikums steigen die Preise. Lena G. weiß daraus Profit zu schlagen. Bereits vor ihrem Abflug nach Kanada haben sie etliche Medienvertreter kontaktiert. Doch nun, als sie bei der Exfrau ihres Expartners gestrandet ist, intensivieren sich die Kontakte zu einem Blatt. Bei Tanja May von der «Bunten» hat Lena G., wie sie sagen wird, «ein gutes Gefühl». Doch nicht nur das: 30 000 Euro bietet ihr die Frauenillustrierte aus München, kein bescheidenes Honorar für ein Interview und einige Porträtaufnahmen. Lena G. zögert. Sie diskutiert, noch immer in Kanada, mit Jörg Kachelmanns Ex darüber. Die beiden spielen mit dem Gedanken, ein Doppelinterview zu geben. Die «Bunte» erhöht. Für ein gemeinsames Gespräch mit der geschiedenen Frau Kachelmann und mit der ehemaligen Möchte-Gern-Frau-Kachelmann bietet die laut Eigenwerbung «führende People-Zeitschrift Europas» 50 000 Euro. Doch die eine will dann doch nicht. Die andere entschließt sich, es allein zu tun. Das Angebot bleibt bestehen. Das erste von schließlich drei Coming-outs von Kachelmann-Geliebten in der «Bunten» ist und bleibt der Redaktion 50 000 Euro Wert.
    Die Aschewolke verzieht sich langsam, Lena G. hofft, bald zurückfliegen zu können – auch weil sie in Europa erwartet wird. Kurz vor ihrer Heimreise, am 22. April 2010, schreibt sie noch eine E-Mail an die Schwetzinger Polizei. Jörg Kachelmann, heißt es darin, müsse sehr krank sein, er führe ein Mehrfachleben, ohne Rücksicht auf die Schmerzen anderer. Eingefallen sei ihr noch, dass er ihr Ende Januar erzählt habe, er wäre kurz davor, physisch aggressiv zu werden. Belege dafür liefert Lena G. keine. Sie schreibt aber noch, sie nehme an, dass das wieder eine seiner drastischen Ausreden gewesen sei. Jörg Kachelmanns Seite wird all dies als Teil einer Rachekampagne einer gekränkten Ex-Liebhaberin darstellen.
    Lena G. ist kaum zurück an der Alster, da fliegt schon Chefreporterin Tanja May aus München ein. Im Gepäck hat sie einen Vertrag. Er garantiert der studierten Betriebswirtin Lena G. nicht nur 50 000Euro. Zusätzlich verpflichtet sich die «Bunte Entertainment GmbH» zur Übernahme der Anwaltskosten. Als Gegenleistung bekommt sie eine Beziehungsgeschichte, sie bekommt eine Kinderzeichnung aus Kanada, sie bekommt Schnappschüsse aus glücklicheren Tagen mit Lena G., Jörg Kachelmann und seinen beiden Söhnen und sie bekommt die eben Zurückgekehrte für eine Fotostrecke vor die Kamera, auf der sie nicht glücklich aussieht.
    Als Lena G. sich ablichten lässt, weiß sie: Wenn Jörg Kachelmann all das erfährt, dann wird er die Kosten ihrer Rechtsvertretung niemals übernehmen, für die sie bislang nicht aufkommen musste. Wenn er erfährt, dass sie über das Gemeinsame und Trennende mit der «Bunten» Gespräche führt, deren Abschrift annähernd 150 Seiten umfassen soll, kann sie sich einen neuen Anwalt als Zeugenbeistand suchen. Nachdem Lena G. ihre Unterschrift unter den Vertrag gesetzt hat, fragt sie – so wird sie zumindest in ihrem Umfeld erzählen – einen der bekanntesten Strafrechtler an ihrem Wohnort an, ob er für sie tätig werden könne: Johann Schwenn.
    Der Rechtsanwalt aus Hamburg wird aber fast ein Jahr nach der «Bunte»-Titelgeschichte neben Jörg Kachelmann sitzen. Neben Zeugin Lena G. wird am 29. März 2011 ein junger Rechtsanwalt, ebenfalls aus Hamburg, Platz nehmen, auf den Schwenn große Stücke hält. Es ist der 35. Prozesstag, der zweite, an dem Lena G. Auskunft geben muss.
    Neun oder zehn «Beziehungszeuginnen», je nach Zählweise, sind bereits in den Zeugenstand getreten. Alle haben unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus ihrem Leben mit dem Angeklagten erzählt. Doch bei Lena G., die bereits in der «Bunten» «ausgesagt» hat, zeigt sich das Gericht erstmals weniger geneigt, Privat- und Intimsphäre so umfassend zu schützen.
    Die Zeugin wird vor Publikum und Presse erzählen, was Illustrierten-Leserinnen seit über elf Monaten wissen.
    Die «Bunte» vom 29. April 2010 hat sich besser verkauft als andere Ausgaben – gerade wegen der elf Seiten über Jörg Kachelmann und seinen

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