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Die Akte Kachelmann

Die Akte Kachelmann

Titel: Die Akte Kachelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Knellwolf
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in denen Sonja A. wohl darüber nachdenkt, ob sie auspacken soll. Die Wahrheit aufden Tisch legen. Die ganze Geschichte. Aber dann wäre es vorbei, wird sie fürchten. Dann käme er frei.
    Wieder verstreichen Sekunden, wieder bricht nicht Sonja A., sondern Horst D. das Schweigen: Ob ihr der Name etwas sage? Sonja A. stöhnt. Weil im Vernehmungszimmer die Hauptkamera ausgefallen ist, lässt sich ihre Mimik schlecht erkennen. Eine zweite Kamera funktioniert zwar, aber sie filmt den ganzen Raum. Die Gesichter sind winzig.
    In den Tagen, in denen Sonja A. oder auch Lena G. aussagen, erscheinen in der Presse Artikel mit Titeln wie «ARD-Wetterexperte mit Drogendealer in Zelle», «Mutter besucht Kachelmann im Knast», «Der große Knast-Report von BILD: So ist das Leben hinter Gittern wirklich!», «Promis hinter Gittern: 50 berühmte Deutsche, die mal im Knast saßen». Die Liste reicht von Johann Sebastian Bach bis Bushido. Dann heißt es bei «Bild»: «Machten Ermittler einen Drogentest mit Kachelmann?». Im Text steht, bei solchen Tests würden Haarproben genommen, um Kokainmissbrauch festzustellen. Nicht darin steht, dass die Proben bei Jörg Kachelmann auf alle geprüften Substanzen negativ ausfallen. Es wird zu einer Konstante werden im Verfahren: Alles Negative, alles Belastende wird postwendend bekannt, Entlastendes kaum, wenigstens zu Beginn nicht. Niemand interessiert es, niemand erfährt, dass die Schweizer Behörden den Ermittlern mitgeteilt haben, dass Jörg Kachelmanns Vorstrafenregister in seinem Heimatland leer ist. Stattdessen steht am Tag, an dem die Staatsanwaltschaft Mannheim diesen Bescheid aus Bern erhält, auf der «Bild»-Titelseite: «50 heiße Flirt-SMS: So baggerte Jörg Kachelmann Popstar Indira an». Zwei Seiten weiter wird die Sängerin der aufgelösten Band «Bro’sis» zitiert: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass so ein charmanter Mann eine Frau vergewaltigt haben soll». Trotzdem interveniert Medienanwalt Ralf Höcker noch am selben Tag bei seinem Landgericht in Köln. Die Kölner Richter erlassen auch in diesem Fall – wie öfters davor und danach – eine einstweilige Verfügung gegen Publikationen über seinen Mandanten. PrivateSMS bleiben auch bei einem prominenten Beschuldigten privat – auch und gerade wenn sie nicht das Geringste mit der Strafsache zu tun haben.
    In der Videovernehmung in Heidelberg muss Sonja A. ahnen, dass sie mit ihrer Lüge nicht durchkommt. Doch obwohl sie auf Chris und nun auf Frank angesprochen worden ist, versucht sie es. Sie wählt die Variante, die sich fatal für sie auswirken wird: Ich glaube, sagt sie, in der Schule hat es einmal einen Frank gegeben. Aber sonst kenne ich niemand, der so heißt. Okay, sagt Horst D. Das nächste Thema.
    Er kommt auf den letzten Chat vom 8. Februar zu sprechen. Die Beamten wollen wissen, was es mit der «Heizperiode» auf sich hat, die Jörg Kachelmann erwähnt. Sonja A. erklärt, dass bei ihr im Haus eine Stunde vor Mitternacht die Heizung abschalte. Dann werde es kalt in der Dachwohnung. Sie habe Jörg Kachelmann gebeten, er solle versuchen, vorher einzutreffen. Horst D. hält ihr die Chatstelle mit der «Hauptaufgabe» vor. Damit sei Sex gemeint, sagt Sonja A., aber sie habe immer auch gekocht, obwohl er manchmal geschrieben habe, sie müsse nicht. Sie habe gewollt, dass er wenigstens einmal täglich etwas Warmes esse.
    Reinhard Birkenstock geht inzwischen bei der Staatsanwaltschaft Mannheim ein und aus. Und dabei verzweifelt er beinahe. Mehrfach verlangt er, dass die Computer am Arbeitsplatz der Anzeigeerstatterin und bei den Eltern A. gesichert und durchsucht werden. Und dass auch, endlich, die gespiegelte Festplatte des Toshiba-Laptops von Sonja A. kriminalistisch ausgewertet wird. Den PC bei Radio Sunshine Live, an dem alle Moderatoren ohne Passwort arbeiten, werden Polizei und Staatsanwälte nie anfassen. Den der Eltern von Sonja A. auch nicht.
    Der Techniker wechselt in Heidelberg die Videokassette. Nach einer Unterbrechung, auf einem neuen Band, erkundigt sich die Kripobeamtin Karen M., die Leiterin der Befragung, nach dem letztenTreffen mit Jörg Kachelmann vor der verhängnisvollen Nacht. Am 10. Januar sei er das letzte Mal bei ihr gewesen, sagt Sonja A., am 20. Januar waren sie gemeinsam im Schwarzwald, in seinem Haus in Herrenschwand. Sie habe Kuchen mitgebracht und Bettwäsche, sie hätten Sex gehabt und dann Nudeln gekocht.
    Die Polizistin will wissen, was es mit dem Haus auf sich hat. Sonja A.

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