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Die Akte Kachelmann

Die Akte Kachelmann

Titel: Die Akte Kachelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Knellwolf
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antwortet: Seine Mutter habe es ihm gekauft, habe er gesagt, als Entschädigung für die ganzen Strapazen, den Prozess in Kanada. Er habe vorgeschlagen, es zu ihrer gemeinsamen Basis zu machen. Der Plan sei gewesen: Wenn er Wettersendungen moderiert von seinem Ostschweizer Firmensitz aus, dann könne man sich treffen, sozusagen auf halbem Weg zwischen Gais und Schwetzingen. Sonja A. weint, als sie erzählt, wie sie planten, wo das Klavier stehen könnte und wo der Tischkicker. Nicht zum ersten Mal steht im Protokoll: emotionale Pause. Danach fragt Horst D., ob es denn bei den Treffen Rituale gab. Normalerweise hätten sie nur den Termin abgesprochen, manchmal auch, was sie bereitlegen solle, das aber nicht immer. Gut, sagt Horst D. Dieses Mal, ergänzt Sonja A. später, hätte sie nichts bereitgelegt – wegen des Briefs.
    Was Sonja A. heute für Herrn Kachelmann empfände, fragt die Kripobeamtin noch. Hass, Hass und Wut, hören sie. Die Trauer sei weg. Sie fühle nur noch Hass.
    Wir müssen, sagen die Schwetzinger Ermittler in der Polizeidirektion Heidelberg, noch auf die Tat selbst zu sprechen kommen. Sonja A. erzählt, stockt, sie weint mehr, als sie redet, es kommen knappe Sätze, es gibt technische Probleme mit der Videoaufzeichnung. Auch nachdem sie behoben sind, bleiben die Informationen, die das mutmaßliche Opfer gibt, knapp. Weil sie sich nicht in Widersprüche verstricken will, wie die einen Experten meinen werden? Oder weil sie, wie andere bald sagen, unter Schock stand während der Tat und nun traumatisiert ist?
    Die Vernehmung dauert jetzt schon eine gefühlte Ewigkeit. Nur drei, vier Fragen noch, versprechen die Ermittler. Es werden mehr. Ob sie nach Lena G. gesucht habe? – Ja. Wo? – Im Internet. Wann sie denn gesucht habe? – Am Tag, an dem sie den Brief fand. Waswar zu finden? – Nur ein Bild einer Lena G. Gab es Kontaktversuche? Sonja A. schüttelt den Kopf. Ob sie daran gedacht habe? Wieder leichtes Kopfschütteln.
    Ob ihr Facebook etwas sage? Sie sei nicht dabei, antwortet Sonja A., aber sie kenne es. Kennen Sie eine Christina? Sie überlege gerade. Christina? Vielleicht von früher? Im Kindergarten sei sie mit einer Christina befreundet gewesen, die sei weggezogen. Und was sagt Ihnen der Name Brandner? Gar nichts.
    Seit der Geheimoperation auf dem Frankfurter Flughafen sind fast drei Wochen vergangen. Eine Woche ist es her, seit die Verteidigung der Staatsanwaltschaft einen Ausdruck des ominösen Chats namens «Kanada-Connection» überreicht hat. Vor einer Woche haben die Ermittler den Laptop von Sonja A. abgeholt. Doch seither ist erneut wenig passiert. Erst am 8. April greift Staatsanwalt Oltrogge zum Hörer und ruft bei einem IT-Spezialisten der Polizeidirektion Heidelberg an. Lars-Torben Oltrogge bittet den Informatiker, die Computerdaten von Sonja A. nach vier Kriterien zu durchsuchen: 1. E-Mails allgemein und insbesondere mit Verfahrensbezug, 2. Internetsuchen nach Verletzungsmustern aus Vergewaltigungen, 3. dem Namen «Lena G.» und 4. einem Facebook-Dialog «Kanada-Connection» mit einer «Christina Brandner».

Der Eyjafjallajökull-Effekt
    Der Vulkan in Island hält die Welt in Atem und Jörg Kachelmanns Expertendienste wären gefragt. Allzu gern, ist anzunehmen, würde der bekannteste Untersuchungshäftling Deutschlands den Fernsehzuschauern und den Zeitungslesern jetzt erklären, weshalb eine Aschewolke den Flugverkehr in Europa und über dem Atlantik so lahmlegt, wie es zuletzt die Terroranschläge vom 11. September 2001 taten. Jörg Kachelmann, dies steht außer Zweifel für jene, die ihn kennen, hätte zu den ersten außerhalb Islands gehört, die den Namen des Vulkans korrekt aussprechen könnten: «Eyjafjallajökull» würde er in der ARD sagen – als wäre es das einfachste Wort der Welt. Eyjafjallajökull heißen sowohl der Vulkan als auch der Gletscher, unter dem er sich verborgen hat. Diese werden Jörg Kachelmanns Verfahren und bald auch sein Image beeinflussen.
    Doch Jörg Kachelmann ist viele Monate nicht als Wetterexperte unterwegs, sondern als Schänzer. So heißt ein Beruf, den es nur hinter Gittern gibt. Der Meteorologe ohne Universitätsabschluss übt ihn jetzt freiwillig aus. «Hausreiniger 1/3» steht auf dem Ausweis, den er nach seiner Haftentlassung nicht ohne Stolz herumzeigt. «Ich war dort Hilfsreiniger, mein Freund René war Hauptreiniger», wird Exhäftling H 08 1008 100 553 schon kurz nach seiner Freilassung im «Spiegel» preisgeben. «Zusammen mit

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