Die Akte Kachelmann
Ermittler haben ihren Computer auswerten können. Und in der Videovernehmung hat sie erfahren, dass die Polizei die Namen Chris, Frank und Christina Brandner kennt.
Trotzdem gibt sie die Ahnungslose und fragt zurück: «In welchem Bereich?»
Nun erklärt Oltrogge die Spielregeln: «Uns wäre es lieber, wenn Sie von sich aus berichten würden. Sie müssen sich selbst im Klaren sein, in welchem Punkt dies sein könnte. Nicht jede Unwahrheit ist abschließend für sich allein entscheidend. Sie müssen aber die Auswirkungen insgesamt sehen.»
Sonja A. fragt: «Meinen Sie vielleicht den Computer?» Dann herrscht wieder Schweigen am Tisch, ehe sie hinzufügt: «Das ist alles nicht so einfach und klar. Sie meinen Lena G.? Den Kontakt?» Sie habe große Angst gehabt, sagt Sonja A., dass man ihr nicht glauben würde. Wieder legt sie eine Redepause ein. «Den Kontakt hat es schon vorher gegeben», fährt sie nach langen Sekunden fort. «Ich hatte dann jedoch Bedenken, da jetzt jeder glaubt, alles sei nur geplant. Irgendwann konnte ich dann nicht mehr zurück. Was hätte ich denn machen sollen? Manchmal trifft man Entscheidungen ausAngst, Scham, Schwäche. Das war offensichtlich falsch. Ich wollte nur die Wahrheit wissen.»
«Was ist die Wahrheit zwischen Ihnen und Lena G.?», wollen die Staatsanwälte wissen. Sonja A. gibt die längste Antwort in der gesamten Befragung. «Vor einem halben bis einem dreiviertel Jahr», erzählt sie, «war ein Anruf von einer Männerstimme, die ich nicht kannte. Ob er mit Lena G. spreche, habe der Unbekannte gefragt, und: ‹Sind Sie nicht die, die mit Jörg Kachelmann in Kanada war?› Ich habe dies verneint. Der Anrufer hat gesagt, er habe sich verwählt und aufgelegt. Ich habe dies erst ignoriert. Man kriegt öfter komische Anrufe. Belästigen wäre wohl zu viel gesagt. Es sind eher Anrufer, die glauben, sie wären lustig. Ich habe mir dann doch den Namen auf einem Zettel notiert und diesen in eine Schublade gelegt. Ich wollte das zunächst ignorieren.» Wiederum scheint Sonja A. nicht gewillt, von sich aus weiterzureden. Aber die Staatsanwälte vermeiden es, sie erneut durch Fragen zu lenken. «Man kann so etwas nicht einfach vergessen», fährt Sonja A. irgendwann fort. «Ich habe dann gegoogelt, dann eine Weile nichts mehr gemacht. Nach einigen Monaten habe ich den Zettel wiedergefunden. Dann wollte ich wissen, ob das stimmt.» Wieder sagt niemand etwas, bis Sonja A. erzählt, wie sie eine Lena G. auf Facebook entdeckt hat, wie sie diese Frau gefragt hat, ob sie im September in Kanada gewesen sei. Erst jetzt steigt die Staatsanwaltschaft ein:
«Wie haben Sie das gemacht?»
«Unter falschem Namen.»
«Welchem?»
«Christina Brandner. Ich hatte Hoffnung, dass das nicht stimmt, sich aufklärt, dass es nur ein Missverständnis ist.»
«Und?»
«Die erste Antwort war nicht sehr konkret. Sie hat ausweichend geantwortet. Ich hatte den Eindruck, dass es nicht stimmt, dass die zusammen wären. Es lief ja auch gerade mit Jörg wieder so gut. Ich hab das abgehakt. Ich habe auch einmal zu Jörg gesagt, ich verstünde das, wenn es nur kurz wäre. Wir hatten auch gerade Pläne mit dem Haus in Herrenschwand, dann kam dieser Brief.»
«Wann?»
«8. Februar. Dann habe ich beschlossen, ihn direkt zu fragen.»
Staatsanwalt Oltrogge scheint das erneut wenig glaubhaft. Er redet der Frau, die ihm gegenübersitzt, ins Gewissen: «Frau A., Ihnen muss klar sein, dass dann, wenn es wieder nicht stimmt, Sie in Teufels Küche kommen.» Auf Sonja A. wirkt Oltrogge aggressiv, fordernd, böse. Der Staatsanwalt, wird sie behaupten, habe sie eingeschüchtert. Oberstaatsanwalt Gattner wird aussagen, sein Mitarbeiter sei «nachdrücklich und engagiert» gewesen. «Ich weiß», wird Oltrogge seinerseits ausführen, «dass ich auf mein Gegenüber oft aggressiver wirke, als ich mich selber empfinde.» Er führt dies auf seine helle Stimme zurück, weniger auf die Drohung mit «des Teufels Küche».
«Aber es stimmt doch!», hat Sonja A. darauf erwidert. Trotzig wirkt sie dabei. «Ein kleines Kind hätte jetzt aufgestampft» – so wird Oltrogge ihre Reaktion auf seine rustikale Belehrung beschreiben. Er fragt weiter: «Wann wussten Sie das von der Beziehung?» Lena G., sagt Sonja A., habe immer schwammig geantwortet. Doch in ihrer letzten Facebook-Antwort, jener vom 13. Januar 2010, stand, die Beziehung dauere an. Da, so schildert es die Hauptbelastungszeugin gegen Jörg Kachelmann nun, habe sie gedacht, gehofft,
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