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Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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Geschäfts
prüfen lassen wollten.«
    »Das ist überflüssig, es ist
vollständig bekannt, daß Sie ein vermögender
Mann sind.«
    Damit war Fauvel entlassen und der nächste Zeuge
wurde vorgerufen. Es war des Bankiers ältester Sohn Lucian,
ein schöner, intelligent aussehender Jüngling von
zweiundzwanzig Jahren.
    Er sagte, daß er Prosper immer geschätzt,
geliebt und für einen Ehrenmann gehalten habe, auch jetzt noch
könne er nicht begreifen, durch welche Verkettung von
Umständen Prosper dahin gebracht worden sei, sich an dem Gelde
zu vergreifen; er habe wohl gespielt, aber seine Verluste waren nicht
so bedeutend, daß er sie nicht aus eigenen Mitteln ganz gut
hätte decken können. Über das
Verhältnis seiner Cousine Magda zu Bertomy befragt,
äußerte er, daß alle in der Familie
überzeugt waren, daß er sie heiraten werde und der
Vater hatte nichts dagegen einzuwenden. Das Wegbleiben Bertomys habe er
eitlem Mißverständnisse zwischen ihm und Magda
zugeschrieben und war überzeugt, daß sie sich wieder
versöhnen würden.
    Nach Lucian kam die Reihe an Cavaillon. Der arme Bursche war
in einem jämmerlichen Gemütszustande, er hatte sein
Abenteuer überdacht und sich heftige Vorwürfe wegen
seiner Feigheit gemacht. Die ganze Nacht wälzte er sich
schlaflos auf seinem Lager und ward von den ärgsten
Gewissensbissen gequält, fürchtete er doch zu
Prospers Verderben beigetragen zu haben.
    Vor dem Untersuchungsrichter wenigstens wollte er sein Unrecht
gutmachen, nannte sich mutig Prospers Freund und sagte, daß er
von seiner Unschuld so überzeugt sei, wie von seiner eigenen.
    Nach Cavaillon kamen noch die übrigen Beamten des
Bankhauses, ihre Aussagen waren ziemlich gleichlautend und unbedeutend,
nur einer behauptete, Bertomy habe durch die Vermittlung des Herrn von
Lagors an der Börse gespielt und nicht unbedeutende Verluste
erlitten.
    Damit war das Zeugenverhör zu Ende und der
Untersuchungsrichter gab einem Diener den Auftrag, Fanferlot so schnell
als möglich zu holen.
    Es dauerte geraume Weile, bis man den Sicherheitsagenten
ausfindig machte, er saß in einer Weinkneipe, wo er sich eine
kleine Erfrischung gönnte.
    »Seit wann lassen Sie so lange auf sich
warten?« fragte ihn der Richter ziemlich unwirsch.
    Fanferlot, der sich beim Eintreten tief bis zum Boden verneigt
hatte, verbeugte sich nochmals und sagte: »Verzeihen Sie, Herr
Richter, aber ich habe meine Zeit nicht verloren.« Dann
berichtete er, was er alles vollbracht hatte, legte den Brief, den er
Cavaillon abgejagt, vor, und erzählte – allerdings
mit Einschränkungen – seine Unterredung mit Gypsy;
von Magda erwähnte er nichts. Er hatte sich's in den Kopf
gesetzt, Prospers Fall auf eigene Faust zu entwirren und so teilte er
dem Richter nur soviel mit, als unerläßlich war. Was
er aber über Prosper und Gypsy an biographischen Daten in
Erfahrung gebracht hatte, berichtete er vollständig.
    Nachdem er geendet, äußerte Herr Pertingent:
»Es ist leider kein Zweifel möglich, daß der
junge Mann schuldig ist.«
    Fanferlot antwortete nicht, er freute sich, daß der
Richter auf falscher Fährte war und der Ruhm, den wirklich
Schuldigen ausfindig zu machen, ihm ganz allein gebühren
würde – nur leider wußte er noch nicht, wie
er an dies schöne Ziel gelangen sollte.
    Der Richter besprach noch verschiedenes mit ihm und sagte
schließlich: »Verlieren Sie mir die Nina Gypsy nicht
aus den Augen, sie wird wohl wissen, wo das Geld ist und nur durch sie
können wir auf die Spur kommen.«
    Fanferlot lächelte verschmitzt.
    »Keine Sorge, Herr Richter, das Dämchen ist
gut aufgehoben.«
    »Dann will ich sie morgen vernehmen.« Und
sofort fertigte er eine Vorladung aus.
    Noch zwei andere Zeugen waren vorgeladen worden,
nämlich der Bureaudiener, den der Kassierer auf die Bank
geschickt hatte, und Herr Raoul von Lagors. Letzterer aber war verreist
und so konnte ihm die Vorladung nicht zugestellt werden, der Diener
aber lag infolge eines Sturzes schwer krank danieder und war
für den Augenblick nicht vernehmbar. Trotzdem aber diese
beiden wichtigen Zeugen fehlten, wuchs Bertomys Aktenfaszikel immer
beträchtlicher an und bald hatte der Untersuchungsrichter
genug moralische Beweise in Händen, um Bertomys Schuld
für erwiesen halten zu können.

4. Kapitel
    Während Prosper Bertomys ganzes Leben Gegenstand
genauester Nachforschung war, saß er selbst im
Gefängnisse, in Einzelhaft,

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