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Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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doch!«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Aber nur Sie kennen außer mir das
Stichwort, und niemand außer uns beiden hat einen
Schlüssel!«
    Bertomy blieb bei diesen Worten, die fast einer Beschuldigung
gleichkamen, völlig kalt, er machte seinen Arm von Herrn
Fauvels Umklammerung sachte los und sagte ruhig, indem er seinen Chef
scharf ansah: »Allerdings, Herr Fauvel, kann niemand anderes
das Geld genommen haben als ich – oder Sie !«
    Der Bankier hob drohend den Arm und es war nicht
vorauszusehen, was geschehen wäre, wenn man nicht
plötzlich draußen einen lauten Wortwechsel vernommen
hätte.
    Einer der Diener bemühte sich, einem Herrn den
Eintritt zu verwehren, dieser aber erzwang sich den Eingang und
stieß mit zorniger Gebärde die Türe auf.
    Alle Beamten, welche im Bureau anwesend waren, standen ernst
und unbeweglich, das tiefe Schweigen hatte etwas Unheimliches. Aber der
Ankömmling – es war der Marquis von Clameran
– tat als merkte er nichts; wieder mit dem Hut auf dem Kopfe
trat er ein und sagte kurz: »Es ist zehn Uhr
vorüber.«
    Da niemand antwortete, war der Hüttenbesitzer eben im
Begriffe, seiner Meinung heftig Ausdruck zu geben, als er Herrn Fauvel
erblickte.
    »Ah gut, daß Sie da sind,« rief er.
»Ich bin schon einmal hier gewesen, aber weder Sie noch der
Kassierer waren anwesend.«
    »Sie irren,« entgegnete der Bankier,
»ich war in meinem Arbeitszimmer.«
    »So? man hat mir gesagt, daß Sie nicht da
wären – jener Mensch dort behauptete es,«
und der Graf wies mit dem Finger nach Cavaillon –
ȟbrigens ist das jetzt Nebensache. Sehr
merkwürdig aber finde ich es, daß, wie ich jetzt zum
zweitenmal komme, die Kasse noch immer gesperrt ist und man mir den
Eintritt verweigerte. Natürlich lasse ich mir so etwas nicht
bieten und bin trotzdem hereingedrungen, und nun frage ich Sie, kann
ich mein Geld haben oder nicht?«
    Fauvel, der bei der Eröffnung seines Kassierers
aschfahl geworden war, wurde nun bei den Worten des
Hüttenbesitzers dunkelrot, er bebte vor Zorn und
mußte sich Gewalt antun, um nicht heftig zu werden und sich zu
eitlem höflichen Ton zwingen.
    »Es wäre mir angenehm, Herr
Marquis,« sagte er, »wenn Sie mir noch eine kleine
Frist einräumen wollten.«
    »Ich dächte doch, Sie selbst sagten
ausdrücklich ...«
    »Allerdings, das Geld lag auch schon für Sie
bereit, aber leider bin ich das Opfer eines Diebstahls geworden, es
wurden 350 000 Frank ans der Kasse entwendet.«
    »Ah,« sagte der Graf von Clameran und
lächelte ironisch. »Und wie lange soll ich wohl
warten?«
    »Nur so lange, bis ich das Geld von der Bank habe
holen lassen.«
    Und Fauvel kehrte dem Hüttenbesitzer den
Rücken und sagte zu seinem Kassierer: »Schreiben Sie
rasch eine Anweisung aus und schicken Sie sofort in die Bank; der
Diener soll einen Wagen nehmen und das Geld holen.«
    Bertomy saß wie versteinert da und rührte
sich nicht.
    »Haben Sie nicht gehört?« herrschte
ihn der Bankier an.
    Der Kassierer zuckte zusammen, er war wie ein Schlafwandler,
der jäh aufgeschreckt wird.
    »Es würde nichts nützen, auf die
Bank zu schicken,« sagte er, »die Forderung dieses
Herrn beträgt 300 000 und wir haben nur noch 100 000 Frank
dort stehen.«
    Der Graf von Clameran stieß eine kurze Lache hervor.
    »Natürlich ...« sagte er und seine
höhnische Miene drückte deutlich seine Gedanken aus:
Das ist natürlich eine abgekartete Komödie, aber ich
lasse mich nicht täuschen.
    Bei der überraschenden Mitteilung des Kassierers,
daß nicht genügend Guthaben in der Bank vorhanden
sei, drückten die Gesichter der Beamten Erstaunen und
Bestürzung aus.
    Allerdings war es allen bekannt, daß durch
finanzielle Krisen selbst alte ehrenwerte Firmen ins Wanken gekommen,
das Haus Fauvel aber hatten sie alle für fest gehalten. Und
doch – konnte die Szene, die sich soeben zwischen dem Chef
und dem Kassierer abgespielt hatte, nicht eine abgekartete
Komödie sein, wie der unhöfliche
Hüttenbesitzer andeutete ...?
    Fauvel war ein viel zu erfahrener Mann, um nicht sofort den
Eindruck, den Bertomys Worte hervorgerufen hatten, zu gewahren, stand
doch der kränkende Verdacht auf allen Gesichtern deutlich zu
lesen.
    »Seien Sie außer Sorge, Herr Graf,«
beeilte er sich zu sagen, »mein Haus hat noch andere Quellen,
Ihr Geld ist Ihnen sicher, wollen Sie sich nur einen Augenblick
gedulden, ich bin sofort zurück.«
    Er ging in sein Arbeitskabinett und

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