Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)
Tages in der eleganten Uniform der Schutzstaffel sehen zu können.
Klaus zeigte jedoch keinerlei Neigung dazu; er verbrachte seine Zeit über kalligraphischen Manuskripten und experimentierte mit farbigen Tinten und verschiedenen Papierarten.
Der Krieg kam, und im Frühjahr 1942 wurde Klaus achtzehn Jahre alt und damit wehrpflichtig. Im Gegensatz zu seinem grobknochigen, rauhbeinigen Vater war er blaß, klein, schmalbrüstig und scheu. Da er bei der militärärztlichen Untersuchung nicht einmal als tauglich zur Verwendung in der Schreibstube befunden wurde, schickte ihn die Musterungskommission wieder nach Hause.
Sein Vater empfand das als eine unerträgliche Kränkung.
Johann Winzer setzte sich kurzentschlossen in den Zug nach Berlin, um einen alten Freund aus den Tagen der Straßenkämpfe und Saalschlachten aufzusuchen. Dieser alte Freund war inzwischen ein hohes Tier in der SS geworden und konnte sich daher mit einiger Aussicht auf Erfolg für seinen Sohn verwenden. Vielleicht gelang es ihm, Klaus einen Posten zu vermitteln, auf dem er dem Reich auf irgendeine Weise von Nutzen sein konnte. Der Mann war durchaus hilfsbereit, wußte aber auch nicht sogleich eine geeignete Stelle zu nennen, in der Klaus Verwendung finden konnte. Er fragte den Metzger, ob es irgend etwas gäbe, was der Junge besonders gut könne. Beschämt gestand sein Vater, daß er etwas vom Zeichnen verstehe.
Der Mann versprach zu tun, was in seiner Macht stand. Um einen Anfang zu machen, schlug er vor, Klaus solle einen Sinnspruch zu Ehren eines gewissen SS-Sturmbannführers Fritz Suhren auf Pergament schreiben.
Klaus tat wie ihm geheißen. Anläßlich einer Feierstunde eine Woche später in Berlin wurde Suhren das mit komplizierten Ornamenten reich geschmückte Blatt in Schönschrift von seinen Gesinnungsfreunden überreicht. Sehren, bis dahin Kommandant des Konzentrationslagers Sachsenhausen, übernahm dann die Leitung des noch berüchtigteren KZ Ravensbrück.
1945 wurde er von den Franzosen hingerichtet. Unter denen, die bei der feierlichen Überreichung im RSHA in Berlin die Schönheit des überreichten Schmuckblatts besonders bewunderten, befand sich auch ein SS-Obersturmführer Alfred Naujocks. Das war der Mann, der im August 1939 den Scheinangriff auf den Gleiwitzer Rundfunksender an der deutschpolnischen Grenze geleitet hatte. Dabei waren Leichen von KZ-Häftlingen in polnischen Armeeuniformen zurückgelassen worden; sie sollten als »Beweis« dafür dienen, daß Polen das Reich angegriffen hatte, und Hitler den Vorwand liefern für seinen Überfall auf Polen acht Tage später.
Naujocks erkundigte sich, wer das Schmuckblatt geschaffen hatte, und als man es ihm sagte, bestand er darauf, daß der junge Klaus Winzer nach Berlin geholt wurde. Bevor er noch recht begriffen hatte, wie ihm geschah, war Klaus Winzer bereits in die SS aufgenommen – ohne die Grundausbildung zum Ablegen des Treueschwurs auf den Führer. Er legte trotzdem den Treueschwur ab und noch einen zur Geheimhaltung verpflichtenden Eid. Dann wurde er darüber informiert, daß er auf ein als »geheime Reichssache« geltendes Projekt angesetzt wurde. Der verblüffte Metzgermeister in Wiesbaden wußte sich vor Glück kaum zu fassen.
Das betreffende Projekt wurde dann unter der Schirmherrschaft des Reichssicherheits-Hauptamtes, Amt 6, Abteilung F, in Berlin in einer Werkstatt in der Delbrückstraße ausgeführt. Im Grunde war es ganz simpel. Die SS versuchte Hunderttausende von englischen Fünfpfundnoten und amerikanischen Hundertdollarscheinen zu fälschen. Das Papier wurde in der reichseigenen Banknoten-Papiermühle in Spechthausen bei Berlin hergestellt, und die Werkstatt in der Delbrückstraße mußte das richtige Wasserzeichen für die Geldscheine herstellen. Es war seine eminente Kenntnis von Papieren und Tinten, weshalb die SS auf Klaus Winzers Mitarbeit Wert legte. Der Zweck des Unternehmens bestand darin, Großbritannien und die Vereinigten Staaten mit Falschgeld zu überschwemmen und auf diese Weise die Wirtschaft dieser Länder zu ruinieren. Anfang 1943, als die Herstellung des Wasserzeichens der englischen Fünfpfundnote gelungen war, wurde die Herstellung der Druckplatten dem Block 19 des Konzentrationslagers Sachsenhausen übertragen, wo jüdische und nichtjüdische Graveure und Chemigraphen unter Leitung der SS arbeiteten. Winzers Aufgabe bestand in der Überwachung der Qualität ihrer Arbeit.
Innerhalb von zwei Jahren hatte Winzer von seinen
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