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Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Titel: Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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und Orte zu seiner Rechten weit in die Dezembernacht erstreckten und im Feuerschein vieler Hundert Hochöfen aufglühten, die Tag und Nacht den Reichtum des Wirtschaftswunders mehrten. Vor zwölf Jahren war er einmal auf einer Klassenfahrt nach Paris mit der Eisenbahn hier durchgekommen, da hatte noch alles in Trümmern gelegen. Das industrielle Herz Westdeutschlands hatte erst ganz schwach wieder angefangen zu schlagen. Beim Anblick dessen, was seither hier geleistet worden war, konnte man nur stolz sein.
    … solange ich da nicht leben muß, dachte Miller, als vor ihm die großen Tafeln der Kölner Autobahnausfahrten im Scheinwerferlicht auftauchten. Von Köln aus fuhr er in südlicher Richtung weiter, vorbei an Wiesbaden und Frankfurt, Mannheim und Pforzheim. Spätnachts schließlich hielt er vor einem Hotel in Stuttgart, wo er übernachtete.
    Die friedliche kleine Marktstadt Ludwigsburg liegt etwa 15   Kilometer nördlich von Stuttgart inmitten der sanften Hügellandschaft Württembergs. Abseits der Hauptstraße hat hier die Zentralstelle zum Leidwesen der national gesinnten Einwohner Ludwigburgs ihren Dienstsitz aufgeschlagen. Die Zentralstelle ist eine personell unterbesetzte, überarbeitete Gruppe von Männern, die nach Nazis und SS-Angehörigen fahndet, welche sich während des Krieges an Massenmorden beteiligt haben. Bevor durch die Verjährung alle SS-Verbrechen mit Ausnahme von Mord und Beihilfe zum Mord – deren Verjährung durch ein besonderes Gesetz aufgehoben wurde – außer Verfolgung gesetzt wurden, standen auch auf bundesdeutschen und internationalen Fahndungslisten die Namen derer, die lediglich des Totschlages, des Raubes, der schweren Körperverletzung einschließlich Folterung und einer Vielzahl sonstiger Formen menschlicher Verrohung verdächtig waren. Aber selbst nachdem Mord und Massenmord als einzige Tatbestände übriggeblieben waren, gegen die Anklage erhoben werden durfte, verblieben noch immer 170   000 Namen in der Ludwigsburger Kartei. Es liegt nahe, daß sich die Zentralstelle unter diesen Umständen darauf beschränkte und heute noch beschränkt, ihre Anstrengungen vorwiegend auf die Ermittlung der schlimmsten Massenmörder zu konzentrieren.
    Die Stelle ordnet selbst keine Festnahmen an. Das Material, das zu späteren Verhaftungen und Anklagen führt, leitet sie an die zuständigen Staatsanwaltschaften weiter. Die Männer in Ludwigsburg arbeiten mit begrenzten Mitteln, sie tun es, weil sie ihre Aufgabe ernst nehmen.
    Der Stab umfaßte achtzig Kriminalbeamte und fünfzig ermittelnde Staatsanwälte. Die Kriminalbeamten waren zumeist junge Leute – kein einziger konnte in einen der untersuchten Fälle verwickelt gewesen sein. Die meisten Juristen waren älter, jedoch war jeder einzelne eingehend überprüft worden, damit gewährleistet wurde, daß nicht etwa einer von ihnen an den Ereignissen vor 1945 beteiligt gewesen war. Die Juristen kamen zumeist aus anderen Stellen der deutschen Justiz, und eines Tages kehrten sie auch sicher wieder dahin zurück. Die Kriminalbeamten wußten, daß ihre Laufbahn vorzeitig an einem Endpunkt angelangt war. So manche bundesdeutsche Polizeibehörde legte keinen Wert darauf, einen Kriminalbeamten von der Ludwigsburger Zentralstelle in ihren Reihen zu wissen. Die Aussichten auf Beförderung bei einer anderen Polizeidienststelle des Landes waren für Kriminalbeamte, die nach ehemaligen SS-Angehörigen in Westdeutschland gefahndet hatten, gering. Die Männer der Zentralstelle hatten nicht selten erleben müssen, daß ihre Ersuchen um Amtshilfe gelegentlich ignoriert wurden, ausgeliehene Akten auf unerklärliche Weise verschwanden und Verdächtige unmittelbar vor dem geplanten Zugriff auf eine anonyme Warnung hin untertauchten. Um diesem »Sand im Getriebe« zu begegnen, waren bei vielen Oberstaatsanwaltschaften Sonderkommissionen jüngerer Beamter gebildet worden, die für die Naziverbrechen zuständig waren.
    Peter Miller fuhr zum Dienstsitz der Kommission in der Schorndorfer Straße 58. Es war eine große ehemalige Privatvilla, umgeben von einer zweieinhalb Meter hohen Mauer. Zwei massive Stahltore versperrten den Zugang zur Auffahrt. Rechter Hand befand sich ein Klingelzug. Miller betätigte ihn. Eine Stahlklappe wurde zurückgeschoben, und ein Gesicht erschien – der unvermeidliche Pförtner.
    »Sie wünschen bitte?«
    »Ich möchte einen der ermittelnden Staatsanwälte sprechen«, sagte Miller.
    »Welchen?« fragte der Pförtner.
    »Da mir keiner

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