Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)
also schon in der Fabrik in Heliopolis unbrauchbar machen«, sagte Yaariv.
»Richtig«, pflichtete ihm Amit bei. »Aber ohne militärischen Angriff. Wir werden versuchen müssen, die deutschen Wissenschaftler zur Einstellung ihrer Tätigkeit zu zwingen, bevor sie ihren Auftrag ausgeführt haben. Bedenken Sie, daß die Planungs- und Forschungsphase nahezu abgeschlossen ist. Uns bleiben noch genau sechs Monate. Danach spielt die Mitwirkung der Deutschen keine Rolle mehr. Produzieren können die Ägypter ihre Raketen selbst, sobald einmal die Konstruktionszeichnungen fertig vorliegen, auf denen auch die letzte Niete und die kleinste Schraube eingetragen ist. Ich werde die Terrorkampagne gegen die Wissenschaftler in Ägypten daher verstärken und Sie über alles weitere auf dem laufenden halten.«
Wiederum herrschte einige Sekunden lang Schweigen, als die stumme Frage im Raum stand, die in diesem Augenblick alle Anwesenden beschäftigte. Es war einer der Beamten des Außenministeriums, der sie schließlich aussprach:
»Könnten wir sie nicht wieder in Westdeutschland selbst unter Druck setzen?«
General Amin schüttelte den Kopf.
»Nein. Das kommt angesichts des derzeitigen politischen Klimas nicht in Frage. Die Weisungen unserer Vorgesetzten bleiben unverändert bestehen: keine weiteren Gewaltakte auf westdeutschem Hoheitsgebiet. Für uns liegt der Schlüssel zu den Raketen von Heliopolis von jetzt ab in Ägypten.«
Es geschah nicht allzuoft, daß General Meir Amit, Chef der Mossad, sich täuschte. In diesem Fall allerdings täuschte er sich in der Tat. Der Schlüssel zu den Raketen von Heliopolis befand sich nämlich in einer Fabrik in Westdeutschland und nicht in Ägypten.
Kapitel 6
Es dauerte eine Woche, bis der Oberstaatsanwalt des für die Ermittlung von Kriegsverbrechen zuständigen Dezernats in der Dienststelle des Hamburger Generalstaatsanwalts für Miller zu sprechen war. Miller hegte den Verdacht, Dorn könne dahintergekommen sein, daß er gar nicht in Hoffmanns Auftrag recherchiere – vielleicht hatte Dorn entsprechend darauf reagiert. Der Mann ihm gegenüber war nervös und gereizt.
»Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß ich mich lediglich auf Ihr hartnäckiges Drängen hin bereit erklärt habe, Sie zu empfangen«, ließ er Miller wissen.
»Ich finde es trotzdem sehr nett von Ihnen«, sagte Miller liebenswürdig. »ich möchte Näheres über einen Mann erfahren, nach dem Ihre Abteilung vermutlich schon seit langem fahndet. Der Name ist Eduard Roschmann.«
»Roschmann?« fragte der Justizbeamte.
»Roschmann«, wiederholte Miller. »SS-Hauptsturmführer, war von 1941 bis 1944 Kommandant des Rigaer Ghettos. Ich möchte wissen, ob er lebt; wenn nicht, wo er begraben ist. Ob Sie ihn gefunden haben, ob er jemals in Haft genommen und vor Gericht gestellt worden ist. Falls nicht, wo er sich heute aufhält.«
Der Justizbeamte war fassungslos.
»Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen«, erklärte er.
»Und warum nicht? Immerhin geht es hier um eine Angelegenheit, die für die Öffentlichkeit von Interesse ist. Von enormem Interesse sogar.«
Der Justizbeamte hatte sich wieder gefaßt.
»Das glaube ich kaum«, sagte er. »Sonst müßten wir ständig Anfragen dieser Art erhalten. Das ist aber keineswegs der Fall. Soweit ich mich erinnere, ist Ihre Anfrage die erste, die wir jemals von seiten der Öffentlichkeit erhielten.«
»Ich bin von der Presse«, bemerkte Miller.
»Ja, das mag schon sein. Aber das berechtigt Sie leider auch nur dazu, über diese Dinge lediglich insoweit informiert zu werden, wie gegebenenfalls jeder andere Bürger auf Wunsch informiert werden würde.«
»Und wie weit würde er gegebenenfalls informiert werden?« fragte Miller mit Nachdruck.
»Ich bedaure, aber wir sind nicht ermächtigt, über den jeweiligen Stand unserer Ermittlungen Auskünfte zu geben.«
»Das scheint mir aber doch eine ziemlich merkwürdige Einstellung zu sein«, sagte Miller.
»Aber erlauben Sie mal, Herr Miller«, verwahrte sich der Justizbeamte, »Sie erwarten ja auch nicht von der Kripo, daß sie Ihnen über den Fortgang ihrer Ermittlungsarbeit bei einem Kriminalfall Auskunft gibt.«
»Und ob ich das erwarte. Die Polizei ist sogar meist außerordentlich entgegenkommend, wenn es darum geht zu erfahren, ob mit einer baldigen Festnahme gerechnet werden kann oder nicht. Und selbstverständlich würde sie der Presse auf Anfrage mitteilen, ob der Hauptverdächtige noch lebt oder nicht. Das kommt
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