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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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als die Kommunisten. Wenn der Kerl eine Schlägerei haben wollte, konnte er sie haben, dann würde er im Polizeigewahrsam enden. Aber der provozierende Blick reichte dem Jüngling offenbar, er ging an Rath vorüber, ohne ihn anzupöbeln, drehte sich auf der Straße allerdings noch einmal um und setzte mit einem letzten bösen Blick seine Uniformmütze auf.
    Rath wunderte sich nicht. Schon früher hatten Nazis hier gewohnt, zu Zeiten, als es noch längst nicht so viele davon gab, zu Zeiten, als eine Hakenkreuzarmbinde noch auffiel. Zugleich hatten die Liebigs im Hinterhaus immer schon die rote Fahne hochgehalten, all die Jahre, die Rath hier gelebt hatte, ohne dass es je zum offenen Streit gekommen wäre. Kommunisten und Nazis unter einem Dach, auch das war Berlin. Gerade in den Arbeitervierteln wohnten Rote und Braune oftmals Tür an Tür, und nicht immer ging es dabei so friedlich zu wie am Luisenufer. Normale Menschen dagegen waren immer seltener zu finden in dieser Stadt, selbst in den bürgerlichen Vierteln, so kam es Rath jedenfalls vor.
    Annemarie Lennartz, die Hauswartsfrau, war gerade beim Teppichklopfen und hielt inne, als sie sah, wer da über den Hof kam.
    »Das ist aber eine Überraschung! Schön, dass Sie uns mal wieder besuchen.«
    Rath tippte kurz an den Hut und zeigte auf das Hinterhaus. »Kollege zu Hause?«, fragte er.
    Die Lennartz nickte. Sie schaute sich um und senkte ihre Stimme, als verrate sie ein Geheimnis. »Nachtdienst«, sagte sie mit wissendem Blick. »Ist erst heute Mittag nach Hause gekommen.«
    Rath verschwand im Hinterhaus und stieg die Treppe hoch. In der ersten Etage blieb er vor einer Wohnungstür stehen und klopfte vorsichtig an. Er wartete einen Moment, und als sich nichts rührte, klopfte er noch einmal, diesmal laut und brutal.
    »Sofort aufmachen, Polizei!«, brüllte er.
    Er hörte etwas in der Wohnung rumpeln, und wenig später öffnete sich die Tür einen Spalt und gab den Blick auf Reinhold Gräf frei.
    »Gereon!« Der Kriminalsekretär, mit nassen Haaren und im Bademantel, schaute eher vorwurfsvoll denn überrascht. »Ist was passiert?«
    »Ne. Ist rein privat. Stör ich?«
    »War gerade in der Wanne. Aber komm rein«, sagte er und stieß die Tür zur Gänze auf. »Fühl dich wie zu Hause. Dürfte dir ja nicht schwerfallen.«
    »Danke.« Rath folgte Gräf in die Küche.
    Der Kriminalsekretär stellte einen Wasserkessel auf den Herd. »Auch ’nen Kaffee?«, fragte er. »Ich hab noch nicht gefrühstückt.«
    »Da sag ich nicht Nein.«
    Rath nahm seinen Hut ab und blieb in der Tür stehen. Gräf holte die Kaffeemühle aus dem Schrank, aus demselben Schrank, in dem Rath sie früher verstaut hatte. »Setz dich doch«, sagte er, ohne sich umzudrehen.
    Rath blieb stehen. »Wie ist es denn noch so gelaufen, heute Morgen?«
    Gräf antwortete nicht. Er füllte weiter Kaffeebohnen in die Mühle.
    »Tut mir leid, dass ich euch allein lassen musste … Aber ich hatte wirklich noch was Wichtiges zu erledigen …«
    Gräf schaute ihn an und drehte an der Kurbel. Eine Zeit lang war nur das knirschende Geräusch der Mühle zu hören.
    »Wenn das eine offizielle Entschuldigung sein soll«, sagte er, »dann betrachte sie als angenommen.«
    Rath holte zwei Untertassen und zwei Tassen aus dem Schrank und stellte sie auf den Tisch, während Gräf mit Wasserkessel und Porzellanfilter hantierte. Er überlegte einen Moment, was er noch sagen könnte, doch ihm fiel nichts Passendes ein. Er setzte sich an den Tisch und wartete, bis Gräf sich zu ihm gesellte. Für eine Weile war nichts zu hören, bis auf das Plätschern des Kaffees, der durch den Filter in die Kanne tropfte.
    »Du hast uns ziemlich im Regen stehen lassen, heute Morgen, weißt du das?«, sagte Gräf schließlich. »Und komm mir bloß nicht damit, wer hier der Chef ist. Immerhin warst du derjenige, der viel zu spät am Tatort erschienen ist. Ich hab wie ein Blöder hinter dir hertelefoniert, nur um deinen Skalp vor Böhm und den anderen Häuptlingen zu retten. Und dann hast du nichts Besseres zu tun, als gleich wieder abzuhauen.«
    Rath nickte, aber er weigerte sich, ein zerknirschtes Gesicht zu machen. Entschuldigt hatte er sich schließlich schon. Gräf stand auf, nahm den Filter von der Kanne und goss Kaffee in die beiden Tassen. Rath nahm einen Schluck. Blümchenkaffee, wie üblich bei Gräf, vielleicht sogar noch ein bisschen dünner als sonst, aber Rath blieb diplomatisch und sagte nichts, klaubte stattdessen eine Overstolz

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