Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)
aus dem Etui.
»Ich dachte«, nuschelte er, während er die Zigarette in die Flamme seines Feuerzeugs hielt, »ich könnte die Sache mit einem Bier im Dreieck wiedergutmachen.«
»Du hast Bereitschaft.« Gräf schaufelte löffelweise Zucker in seine Tasse, während er sprach. »Und ich Nachtdienst in der Burg.«
Rath schaute auf die Uhr. »In drei Stunden.«
»Eben. Und da will ich nicht besoffen erscheinen.«
»Nur ein kleines Friedensbier. Und du erzählst mir bei der Gelegenheit, was ihr heute Morgen noch herausgefunden habt.«
»Gereon, du hast jetzt schon eine Fahne. Streng genommen bist du im Dienst.«
»Nur ein Cognac«, log Rath. »Vorhin, nach dem Essen.«
Gräf trank ein paar Schlucke Kaffee. »Na gut«, sagte er schließlich. »Eine Molle vorm Dienst wird ja wohl erlaubt sein.«
»Aber sicher.« Rath grinste. »Wenn ich es dir sage. Ich bin dein Chef.«
»Ich hab dir doch gesagt, du sollst mir nicht mit der Masche kommen.«
Kurz darauf saßen die beiden am Tresen im noch leeren Nassen Dreieck , der wahrscheinlich kleinsten und dreieckigsten Kneipe Berlins. Kirie hatte sich zu ihren Füßen ein Plätzchen gesucht. Vor den Männern standen zwei Biergläser, vor dem Hund ein Wassernapf, den Schorsch, der Wirt, ungefragt hingestellt hatte. Auch das Bier hatte er schon zu zapfen begonnen, bevor die Bestellung eingegangen war, er kannte seine Gäste. Nur beim obligatorischen Korn hatten die beiden Beamten diesmal abgewinkt. Sie prosteten sich zu. Gräf schien langsam wieder bessere Laune zu bekommen.
»Dann soll ich dich also auf den aktuellen Stand bringen«, sagte er und wischte den Schaum vom Mund.
Rath nickte. »Schließlich bin ich derjenige, der den Häuptlingen in der Konferenz zu berichten hat, oder?«
»Der schriftliche Bericht ist schon in Arbeit. Lange und ich wollen den Rest heute Nacht erledigen.«
»Schön. Erst mal reicht mir die Kurzfassung. Hat der ED irgendetwas rausgefunden?«
»Alles noch ohne Gewähr«, referierte Gräf: »Keine Kampfspuren, keine Spuren von Gewalt, keinerlei Hinweis auf Fremdeinwirkung. Aber genauso wenig Hinweise auf einen natürlichen Tod.«
»Dann werden wir wohl wirklich die Obduktion abwarten müssen.« Rath trank einen Schluck. »Was hältst du von Karthaus’ Vermutung? Ich meine, dass der Mann ertrunken ist?«
»Auch wenn es sich seltsam anhört, ich glaube, dass der Doktor recht haben könnte. Die Haare der Leiche waren noch nass.«
»Ist mir nicht aufgefallen.«
»Du warst auch viel zu spät am Tatort. Schau dir die Fotos an, die Lange gemacht hat, dann siehst du’s.«
»Nasse Haare.« Rath zuckte die Achseln. »Na und? Es hat letzte Nacht schließlich auch geregnet.«
»Das hätte anders ausgesehen, auch die Schultern waren nass, der Rest nicht.«
»Und? Wie lautet deine Theorie?«
»Wie man in einem Aufzug ertrinken kann?« Gräf zuckte die Achseln. »Ich habe keine. Auch nicht zu dem roten Tuch.«
»Welches rote Tuch?«
Gräf schaute ihn an, einen gelinden Vorwurf im Blick, und Rath hob beschwichtigend die Hände.
»Schon gut, schon gut! Ich gucke mir die Fotos an.«
»Das Tuch hing am Gitterwagen mit den Schnapskisten. Ist jetzt beim ED.«
»Eine Kommunistenfahne?«
»Eher ein Taschentuch. Wir werden sehen.«
Bevor Gräf Nein sagen konnte, hatte Schorsch die nächsten zwei Mollen auf den Tresen gestellt. Die Männer tranken.
»Und du glaubst also wirklich, dass jemand in einem Aufzug ertrinken kann?«, fragte Rath.
»Ich glaube gar nichts.« Gräf zuckte die Achseln. »Wie der Mann zu Tode gekommen sein könnte, ist immer noch ein einziges Rätsel. Und sollte sich bestätigen, dass er wirklich ertrunken ist, wird das Rätsel eher größer als kleiner.«
»Vielleicht hat ihn doch jemand einfach nur dort abgelegt.«
»Und hat dafür Lamkaus Lieferwagen benutzt?« Gräf schüttelte den Kopf. »Nein, nein, alle Spuren sprechen eindeutig dagegen. Und ein Mann mit einer Leiche wäre kaum unten am Wachdienst vorbeigekommen.«
Schorsch stellte die dritte Bierlieferung auf den Tresen und räumte die leeren Gläser ab.
»Jetzt ist aber genug«, meinte Gräf.
»Na komm, das eine noch. Und dann gurgelst du ein bisschen mit Odol, und die Fahne ist weg.«
»Hört sich an, als sprichst du aus Erfahrung.«
Rath hob sein Glas. »Jedenfalls hast du eine Vorbildfunktion gegenüber unserem jungen Kommissaranwärter, die solltest du ernst nehmen.«
Auch Gräf hob sein Glas. »So wie du deine Vorbildfunktion gegenüber einem jungen
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