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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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zwingen, den Kommissar aus Berlin im Wald auszusetzen, auf dass er sich da verlaufe?«
    »Ich protestiere aufs Schärfste! Wollen Sie damit andeuten, die Treuburger Polizei sei bestechlich?«
    »Was heißt bestechlich? Vielleicht haben Sie jemandem auch einfach so einen Gefallen getan. In Köln nennt man das Klüngel.«
    »Und hier nennt man das eine ehrabschneidende Behauptung! Ich warne Sie! Unterlassen Sie diese unverschämten Unterstellungen!«
    Grigat führte sich auf, als wolle er Rath gleich zum Duell fordern.
    »Ich darf Sie an eines erinnern …« Rath legte das Schreiben von Bernhard Weiß auf den Schreibtisch. »Der Berliner Polizeivizepräsident persönlich möchte, dass Sie meine Arbeit hier unterstützen und nicht torpedieren. Ich rate Ihnen also, mit offenen Karten zu spielen: Sagen Sie mir, wer mich loswerden wollte, und ich werde vielleicht darauf verzichten, Meldung nach Berlin zu machen und mich über Sie zu beschweren. Im schlimmsten Falle könnte man Ihr Verhalten dort als Befehlsverweigerung interpretieren! Und ich muss ja wohl nicht erwähnen, dass Doktor Weiß einen guten Draht zum Innenministerium hat.«
    »Ach ja?« Grigat nahm das Schreiben mit dem Briefkopf des Berliner Polizeipräsidiums in die Hand und grinste. »Mit diesem Papier, mein lieber Herr Rath, können Sie sich meinetwegen den Arsch abwischen. Zu etwas anderem taugt es nicht mehr.«
    »Wie bitte?«
    »Sie haben mich verstanden!«
    »Wie reden Sie? Wie reden Sie von einem Schreiben, das vom Berliner Polizeivizepräsidenten Doktor Bernhard Weiß …«
    »Ihr Isidor hat mir gar nuscht mehr zu sagen!« Grigat schienen Raths Worte nur noch mehr anzuheizen. »Der Polizeipräsident in Berlin heißt Kurt Melcher, und Ihr Doktor Weiß kann froh sein, dass man ihm seinen Judenarsch nicht versohlt hat. Der wird so schnell keinen Fuß mehr ins Polizeipräsidium setzen.«
    Für einen Moment befürchtete Rath ernsthaft, Erich Grigat sei verrückt geworden. Der Polizeimeister fischte ein Schreiben von seinem Schreibtisch, das ganz oben auf seinem Ablagekorb lag.
    »Das hier ist heute Morgen über den Ticker gekommen«, sagte Grigat. »Grzesinski, Weiß und Heimannsberg sind allesamt abgesetzt. Jetzt wird endlich aufgeräumt in diesem Saustall, den die Sozis aus Preußen gemacht haben!«
    »Erzählen Sie keinen Blödsinn! So etwas wird Innenminister Severing niemals zulassen!«
    »Severing ist ebenfalls abgesetzt. Die ganze preußische Regierung, dieser rote Haufen, ist abgesetzt. Hindenburg hat den Reichskanzler zum Reichskommissar für Preußen ernannt.«
    »Zeigen Sie mir das Schreiben. Ich glaube Ihnen kein Wort.«
    Grigat grinste, als er ihm das Fernschreiben reichte. Rath überflog das Papier. Eine Dienstanweisung, in der alle preußischen Polizeidienststellen und alle Landjägerposten darüber informiert wurden, dass die preußische Minderheitsregierung abgesetzt sei, ebenso die Berliner Polizeispitze, und Preußen bis auf Weiteres von einem Reichskommissar regiert werde.
    »Das … kann nicht sein. Das … das ist ein Putsch«, stammelte Rath.
    »Ich würde Ihnen ernsthaft raten, Ihre Wortwahl etwas zu überdenken«, sagte Grigat, der es sichtlich genoss, nun Oberwasser zu haben. »Andernfalls könnte nämlich ich mich gezwungen sehen, eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Sie anzustrengen, Herr Kommissar! Meine Geduld mit Ihnen und Ihrer seltsamen Dienstauffassung ist am Ende!« Er nahm Rath das Fernschreiben wieder ab und wies zur Tür. »Und jetzt verlassen Sie bitte mein Büro! Andernfalls lasse ich Sie mit Gewalt entfernen!«
    Rath wollte noch etwas erwidern, unterließ es dann aber. Wortlos faltete er das Schreiben von Bernhard Weiß wieder zusammen und steckte es ein, verließ Grigats Büro und ging langsam die Treppen des Landratsamtes hinunter auf die Straße.
    Verdammt , dachte er, in den wenigen Tagen, die du von der Bildfläche verschwunden warst, ist verdammt viel passiert.
    Direkt vor dem Amtsgericht stand eine Telefonzelle. Rath holte das Portemonnaie aus der Tasche und zählte sein Kleingeld. Er musste sich sputen, bevor Treuburgs Polizeichef den wiederaufgetauchten Berliner Kommissar überall zur Persona non grata erklärt haben würde.
    Robert Naujoks war zuverlässig. Um halb drei kam der Polizeimeister a.   D. mit dem Zug aus Lyck.
    »Ziemlich olle Kamellen, die Akte Mathée«, sagte er, nachdem Rath ihn auf dem Bahnsteig begrüßt hatte, und öffnete seine Ledertasche, die einen dicken Leitzordner enthielt.

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