Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
Vom Netzwerk:
geschlossen. Genau die Dinge, die Gennat den einfältigen Schupos, die in der Regel als Erstes an einem Tatort auftauchten, seit Jahren auszutreiben bemüht war: erst mal Ordnung machen, dann erst die Kripo anfordern. Eine Unsitte, die sich hartnäckig hielt.
    Im Falle Anna von Mathée hatte sich niemand darüber aufgeregt; die Ermittler der Kriminalpolizei aus Lyck hatten die Geschichte anhand der Zeugenaussagen des Wachtmeisters und der vorgefundenen Spuren sowie des Obduktionsergebnisses rekonstruiert. Demnach sei der Tatverdächtige der Anna von Mathée mit seinem Fahrrad in den Wald und zum See gefolgt, vielleicht auf die Aussicht hin, die junge Frau beim Bade zu beobachten, dann aber seinem Triebe nicht mehr Herr geworden und habe sich an dem jungen Mädchen vergangen. Als diese sich zur Wehr setzte, habe er sie ertränkt. Im Text fanden sich wildeste Mutmaßungen; demnach könne die für Polen aussichtslose Volksabstimmung den Polakowski mit Hass gegen alles Deutsche erfüllt haben, hatte Wachtmeister Wengler ausgesagt und auf einen Streit angespielt, den der Tatverdächtige mit drei Mitgliedern des Heimatdienstes Marggrabowa am Morgen desselben Tages angezettelt habe. Ein entsprechendes Protokoll dieses Zwischenfalls war beigefügt, und die Namen der drei Heimatdienstler waren Rath sehr vertraut: Herbert Lamkau, August Simoneit und Hans Wawerka. Wengler hatte Polakowski sogar für kurze Zeit unter Arrest gestellt, ihn dann aber wieder freigelassen.
    Rund eine Stunde später sei dann der Verlobte der Anna von Mathée auf der Polizei erschienen und habe seine Braut als vermisst gemeldet, sie sei nicht zum gemeinsamen Mittagessen auf dem Gut Luisenhöhe erschienen. Zeugen hatten sie am späten Morgen ausreiten sehen, zum Markowsker Wald hinauf. Also machte man sich auf die Suche.
    Es war auffällig, dass Wengler den Namen dieses Verlobten nur einmal lapidar erwähnte, unauffällig, irgendwo an einer Stelle, die man leicht überlesen konnte, so als sei es ihm unangenehm, sich zusammen mit einem Verwandten auf die Suche nach der Vermissten gemacht zu haben.
    Denn der Mann, mit dem zusammen Wachtmeister Wengler den Wald durchkämmte und schließlich den kleinen See erreichte, war niemand anders als der Verlobte selbst, war niemand anders als sein Bruder, der Gutsinspektor.
    Gustav Wengler.
    Der böse Mann, wie der Kaubuk ihn genannt hatte, der Mann, der an den Ort seines Verbrechens zurückgekehrt war.
    78
    D oktor Karthaus hatte sich tatsächlich beeilt. Die Leiche von Dietrich Aßmann lag noch auf dem Obduktionstisch, zugedeckt mit einem weißen Baumwolltuch, als der Gerichtsmediziner die Mordkommission Vaterland in seinen heiligen Hallen im Keller des Leichenschauhauses empfing.
    Charly war nicht ganz wohl beim Betreten des Obduktionssaals, und vielleicht war genau das der Grund, warum Wilhelm Böhm sie mitgenommen hatte: weil so etwas dazugehörte zu den Erfahrungen, die eine Kommissaranwärterin machen musste, die, wenn auch nur vorübergehend, der Mordinspektion zugeteilt war.
    In früheren Zeiten, als sie noch als Stenotypistin für die Inspektion   A tätig war, hatten Böhm und Gennat sie immer wieder in Ermittlungen einbezogen und ihre Schlussfolgerungen und Theorien durchaus geschätzt, aber keiner von beiden hatte sie jemals mit ins Leichenschauhaus genommen.
    Der Geruch, diese Mischung aus Blut und Desinfektionsmitteln, war tatsächlich gewöhnungsbedürftig, vor allem, wenn man wusste, dass es menschliches Blut war, das diesen Geruch verströmte. Doch ihre Neugier auf den gerichtsmedizinischen Befund war größer als ihr Ekel.
    Gennat hatte die meisten Leute in der Burg gehalten, die mit ihm zusammen die komplette Wachmannschaft verhörten. Um die wichtigste Frage zu klären: Wie hatte der Mörder überhaupt in den Zellentrakt gelangen können?
    »Das ging aber schnell, Doktor«, sagte Böhm, und Karthaus hob überrascht eine Augenbraue. Lob aus dem Mund des Oberkommissars war so selten wie eine Schneeflocke im August.
    »Ich habe die Obduktion dieser Leiche vorgezogen, weil Kriminalrat Gennat mich darum gebeten hat. Und weil mir schon bei der Untersuchung vor Ort ein paar Dinge eigenartig vorgekommen sind.«
    »Der Genickbruch.«
    »Richtig. Ich habe zunächst geglaubt, dabei könne es sich um eine Folge der Wasserfolter handeln. Wenn man die Opfer festbindet und sie dann in Todesangst geraten, reagieren manche so heftig, dass sie sich sogar die Knochen brechen.«
    »Aber unser Mann fixiert seine

Weitere Kostenlose Bücher