Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)
Abend noch angerufen. Wengler logiert im Hotel Eden in Danzig. Und zwei von Muhls Leute sitzen davor in einem Auto.«
»Sie sollen ihn im Blick halten. Vielleicht geht Polakowski Ihnen in die Falle.«
»Vor allem sollten wir Wengler vor Polakowski warnen.«
»Damit er Lunte riecht und erfährt, dass wir die alten Geschichten ausgegraben haben? Wengler weiß längst, dass Polakowski hinter ihm her ist. Weil Polakowski das so wollte. Deshalb die Todesanzeigen und das ganze Brimborium. Mit Verlaub, Herr Kriminalrat, wenn wir Wengler warnen – vor etwas, das er höchstwahrscheinlich schon weiß –, geben wir ihm nur Gelegenheit, sämtliche Spuren zu verwischen, die auf ihn als Täter hindeuten. Es ist ohnehin schon schwierig genug, ihm den Mord an Anna von Mathée nachzuweisen.«
»Ich halte es für wichtiger, einen Mord zu verhindern, als einen bereits geschehenen aufzuklären, Herr Kommissar.« Gennat schaute ihn ernst an. »Wengler ist in unserem Fall das Opfer, ein potenzielles Opfer. Polakowski ist der Tatverdächtige, den wir suchen, nicht Gustav Wengler.«
»Ich fürchte nur, dass Wengler über Leichen geht, wenn es darum geht, seine eigene Schuld zu verdecken. Er hat die Treuburger Bibliothekarin töten lassen, als er herausgefunden hat, dass die mit Radlewski in Kontakt stand.«
»Wie?« Gennat zog die Augenbrauen hoch. »Sind Sie da sicher?«
»Ziemlich. Ich glaube, er hat die örtliche SA dafür eingespannt. Die ist ihm irgendwie hörig.«
»Wengler ist ein Nazi?«
Rath zuckte die Achseln. »Damit hausieren geht er nicht. Aber ich vermute mal, dass er sich, sollte er jemals offiziell in die Politik gehen, auch einen von diesen Ansteckern mit Hakenkreuz ans Revers heften würde.« Er legte die Kuchengabel zurück auf den Teller und zündete sich eine Zigarette an, in der Hoffnung, dass Gennat dann keinen Kuchen nachlegen würde. Es schien zu funktionieren. »Wenn Sie mich fragen, hat Wengler auch Aßmann auf dem Gewissen. Und will es mir in die Schuhe schieben.«
»Womit wir beim Thema wären.« Gennat räusperte sich. »Ich glaube zwar nicht an Ihre Schuld, aber die Routine können wir Ihnen nicht ersparen. Fingerabdrücke nehmen, Gegenüberstellung mit dem Wachpersonal. Das müssen wir wenigstens abarbeiten.«
»Wenn es denn sein muss.«
»Es muss.« Gennat nickte. »Einen Unterschriftenvergleich haben wir schon anstellen lassen. Wer auch immer sich in den Zellentrakt geschlichen hat, um Dietrich Aßmann umzubringen, er hat Ihre Unterschrift ziemlich gut nachgemacht.«
Rath überlegte, wer Wengler eine Unterschrift zur Verfügung gestellt haben könnte. Hella Rickert oder ihr Vater? Der korrupte Kleinstadtpolizist Grigat? Es kamen einige Leute infrage.
Da ging die Tür auf, und ein schwarzer Hund kam herein.
Kirie steuerte direkt auf ihr Herrchen zu und ließ sich kraulen.
In der Tür stand eine Frau und guckte böse.
»Fräulein Ritter! Was machen Sie denn hier?«
»Nachdem Oberkommissar Böhm mir einfach meinen Verlobten entrissen hat, ohne ein Wort dazu zu sagen, dachte ich, ich schau mal im Polizeipräsidium nach. Sie wollen Kommissar Rath doch nicht allen Ernstes als Verdächtigen im Fall Aßmann vernehmen? Sollten Sie auf die Idee kommen, ihn auch noch in eine Zelle zu sperren, backe ich eine Feile in seinen Kuchen!«
Rath konnte seinen Stolz und seine klammheimliche Freude kaum verbergen.
»Und du«, fuhr Charly ihn an, »hör auf zu grinsen! Wenn du dich ein bisschen mehr an die Spielregeln halten würdest, hätten wir das ganze Theater nicht!«
»Das habe ich Kommissar Rath bereits erklärt, Fräulein Ritter.« Gennat schien amüsiert. »Ich denke, er hat sich einsichtig gezeigt.«
»Das ist ja wohl auch das Mindeste!«
»Setzen Sie sich doch zu uns.« Gennat klopfte auf die Sitzfläche des grünen Sessels neben dem seinen. »Auch einen Kaffee?«
»Danke.« Charly nahm Platz, immer noch auf hundertachtzig. Rath hätte sie am liebsten umarmt. Dummerweise saß der Buddha auf dem Sessel neben ihr. So begnügte Rath sich damit, den Hund zu kraulen.
Gennat schenkte Kaffee ein, und Charly zündete sich eine Juno an. So langsam wurde sie wieder ruhiger.
»Hat Kronberg sich schon gemeldet?«, fragte sie den Buddha.
Der schaute auf die Uhr. »Kriminalrat Kronberg dürfte jetzt gerade beim Frühstück sitzen. Wenn er überhaupt schon aufgestanden ist.«
»Ich meine ja auch allgemein den ED. Die wollten doch die Nacht durcharbeiten.«
Rath musste ein ziemlich großes Fragezeichen
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