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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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nickte, nahm das Foto und machte sich auf zum Fotolabor, das oben beim Erkennungsdienst untergebracht war.
    Das konnte eine Weile dauern, bis die im Labor die Kopien fertig hatten. Und es empfahl sich, auf die Abzüge zu warten und den Laboranten auf den Wecker zu gehen, sonst dauerte es nämlich ewig, bis man seine Bilder hatte.
    Das also war ihre letzte Tätigkeit für die Inspektion   A. Bilder vervielfältigen lassen und in der Weltgeschichte herumschicken. Schöne Arbeit. Aber selbst das erschien ihr noch reizvoller als die Aussicht, am Montag wieder mit Karin van Almsick in einem Büro zu sitzen.
    Und dann die Sache mit Dettmann und dem Geruch seines Rasierwassers und was dieser Geruch in ihr ausgelöst hatte. Sie wusste nicht, ob sie schon dabei war, hysterisch zu werden, aber der Gedanke, der ihr eben durch den Kopf geschossen war, oder besser: die Bilder waren so realistisch, als habe sie es selbst erlebt. Ein Polizist, der einem Gefangenen das Genick bricht.
    Sie hatte diese Bilder schon oft gesehen in den letzten Tagen, sie sah mögliche Tathergänge immer in Bildern, das war so ihre Art zu denken, sie konnte nicht anders. Hundertmal war der arme Dietrich Aßmann in ihrer Phantasie ermordet worden, mit einem einzigen schnellen, ruckartigen Griff.
    Doch jetzt hatte der Mörder zum ersten Mal ein Gesicht.
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    A ls er in die Burg zurückkehrte, waren die meisten Mitarbeiter schon ins Wochenende verschwunden.
    Nur Charly saß noch an ihrem Schreibtisch und tütete Fotos ein. Rath erkannte das Sträflingsfoto von Jakub Polakowski.
    »Kannst du davon auch eins an das Polizeipräsidium Königsberg schicken?«
    »Schon geschehen.« Sie zeigte ihm einen Umschlag. Direkt an den Polizeipräsidenten adressiert.
    »Dann schick noch eins. Zu Händen von Kriminalassistent Kowalski.«
    »Kein Problem, wir haben genug Abzüge.« Sie gab ihm ein Foto und ein Kuvert. »Hier. Die Adresse kannst du von dem anderen Brief abschreiben.«
    Rath tat wie geheißen, schrieb Kowalski noch ein paar Zeilen des Dankes auf einen Bogen Briefpapier und legte ihn zu dem Foto.
    Als er damit fertig war, hatte Charly schon mindestens fünf weitere Fotos samt Anschreiben eingetütet. Sie wirkte immer noch seltsam kurz angebunden.
    »Was ist los?«, fragte er. »Tut mir leid, wenn ich dich gerade wie meine Sekretärin behandelt habe. Aber du siehst ja …« – Er zeigte ihr den Brief an Kowalski. – »… ich kann das sogar selber.«
    »Schon gut«, sagte sie. Aber sie guckte nicht wie schon gut .
    »Hat Dettmann dich wieder belästigt?«
    »Nein, nein, keine Sorge, der geht mir eher aus dem Weg.«
    »Das ist auch besser so.« Rath fühlte einen gewissen Stolz. War sein Auftritt in Dettmanns Büro doch nicht ganz umsonst gewesen.
    Charly zeigte ein gequältes Lächeln. »So bald wird Dettmann auch keine Gelegenheit mehr haben, mir irgendwo auf dem Gang zu begegnen. Außer vielleicht in der Kantine.« Sie zögerte einen Moment, bevor sie weitersprach. »Ich … Am Montag sitze ich wieder an meinem Schreibtisch in der Inspektion   G.«
    »Dein Gastspiel bei uns ist schon beendet?«
    Er versuchte, seinen Worten einen Ton des Bedauerns zu verleihen, aber eigentlich war Rath eher erleichtert, das zu hören. So nah mit ihr zusammenzuarbeiten hatte ihm nicht behagt, manchmal hatte er sich regelrecht beobachtet gefühlt, eingeschränkt in seiner Bewegungsfreiheit. Und dabei waren es gerade einmal drei volle Arbeitstage gewesen, die sie zusammen in der Mordkommission Vaterland verbracht hatten, den Rest der Zeit hatte er sich in Ostpreußen herumgetrieben. Aber wenn er an ihre Neugier dachte. Und an seine Neigung zu Heimlichtuereien. Die Anrufe vorhin zum Beispiel. Eigentlich war es ganz gut, dass sie am Montag wieder in einem anderen Büro arbeitete.
    Aber dann sah er ihr Gesicht und wusste, dass er sie trösten musste. Er ging zu ihr hinüber und nahm sie in den Arm, und sie fing im selben Moment an zu schluchzen.
    So kannte er sie gar nicht, das war schon das zweite Mal innerhalb weniger Wochen, dass sie in seiner Gegenwart weinte. Normalerweise verkniff sie sich so etwas unter allen Umständen. Einen Moment fragte er sich, ob sie vielleicht schwanger …
    Er hielt sie, und sie weinte sich aus an seiner Schulter. »’tschuldigung, Gereon«, sagte sie nach einer Weile und grinste schon wieder unter den Tränen, »aber ich bin eine dumme Pute.«
    Er tupfte ihre feuchten Wangen mit seinem Taschentuch ab.
    »Nein«, sagte er, »das stimmt nicht.

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